26.000 Abschiebungen
Zahl neuer Flüchtlinge 2017 stark gesunken
Die "Hauptkrise" sei überwunden, sagt Bundesinnenminister de Maizière mit Blick auf die Asylstatistik. Rund 187.000 Menschen kamen 2017 nach Deutschland, kaum ein Vergleich zu den 890.000 Neuankömmlingen 2015. Migration und Flucht seien aber weiterhin zentrale Herausforderungen.
Mittwoch, 17.01.2018, 6:24 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 18.01.2018, 14:59 Uhr Lesedauer: 4 Minuten |
Die Zahl neu ankommender Flüchtlinge ist 2017 in Deutschland weiter gesunken. Wie Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) am Dienstag in Berlin mitteilte, wurden im vergangenen Jahr rund 187.000 neue Asylsuchende registriert. Das bedeutet einen Rückgang um fast 100.000 gegenüber 2016 (280.000 Registrierungen). Hauptherkunftsländer der Flüchtlinge waren Syrien, Irak und Afghanistan. 26.000 Menschen wurden 2017 aus Deutschland abgeschoben, 30.000 kehrten im Rahmen der sogenannten freiwilligen Rückkehr in ihre Heimat zurück.
De Maizière bilanzierte, die „Hauptkrise“ aus dem Jahr 2015 mit der großen Fluchtbewegung ab dem damaligen Sommer sei überwunden. Flucht und Migration blieben aber eine zentrale Herausforderung für die nächsten Jahre. Es bleibe viel zu tun.
De Maizière: Rückstände quasi abgebaut
Info: Das deutsche Recht sieht drei verschiedene Kategorien für den Schutz von Flüchtlingen vor. Am seltensten wird der umfassende Asylschutz nach Artikel 16 des Grundgesetzes gewährt. Am häufigsten werden Asylsuchende in Deutschland nach der Genfer Flüchtlingskonvention anerkannt. Diesen Schutzstatus erhält, wer aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung verfolgt wird. Trifft dies auf einen Schutzsuchenden nicht zu, gibt es noch die Möglichkeit des subsidiären Schutzes. Er wird in der Regel gewährt, wenn nicht wegen der Diskriminierung einer ganzen Gruppe, im konkreten Fall aber dennoch Gefahr für Leib und Leben droht. Dies kann etwa im Fall von Krieg, einer verhängten Todesstrafe oder Folter der Fall sein. In den vergangenen Jahren erhielten zunehmend syrische Kriegsflüchtlinge diesen subsidiären Schutz, für den derzeit der Familiennachzug ausgeschlossen ist. Während der Flüchtlingsschutz nach der Genfer Konvention einen Aufenthaltsstatus für drei Jahre garantiert, müssen subsidiär Schutzberechtigte ihren Status jährlich verlängern lassen.
Die Asylstatistik, die der Innenminister gemeinsam mit der Leiterin des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge, Jutta Cordt, vorstellte, weist für das vergangene Jahr rund 223.000 gestellte Asylanträge aus. Darunter sind auch Folgeanträge und verzögerte Verfahren aus den Vorjahren. Die Zahl der Anträge bewegt sich damit fast auf dem Niveau des Jahres 2014 (203.000 Anträge) vor dem großen Andrang von Flüchtlingen. 2015 kamen rund 890.000 neue Asylsuchende in Deutschland, deren Anträge aufgrund der Fülle nicht sofort bearbeitet werden konnten. 2016 gingen mehr als 745.000 Anträge beim Bundesamt ein.
Der Antragsstau, der sich seitdem beim Bundesamt gebildet hatte, ist den Angaben zufolge weitgehend aufgelöst. Mehr als 600.000 Verfahren wurden 2017 entschieden. Ende Dezember waren noch rund 68.000 Verfahren anhängig, mehr als 22.000 davon Altverfahren aus den Jahren 2016 und früher. Die Rückstände seien praktisch abgebaut, sagte de Maizière. Er und Bundesamts-Leiterin Cordt kündigten an, sich im Jahr 2018 verstärkt um die Qualität der Verfahren zu kümmern.
An dieser Stelle setzt die Kritik von Innenpolitikerin Ulla Jelpke (Linke) an. Sie bezeichnet die hohe Zahl erledigter Asylverfahren als einen „Scheinerfolg“. „Die zahlreichen Mängel in den Asylbescheiden des BAMF, die auch mit politischen Vorgaben für eine restriktive Asylpolitik zu erklären sind, führen dazu, dass die Asylprüfung in großem Umfang den überlasteten Gerichten aufgebürdet wird“, so Jelpke.
Maximal 220.000 Flüchtlinge pro Jahr
Bei den Asylentscheidungen im vergangenen Jahr erhielten 20,5 Prozent der Betroffenen den Flüchtlingsstatus nach dem Grundgesetz oder der Genfer Flüchtlingskonvention. Weitere 16 Prozent der Antragsteller erhielten den untergeordneten subsidiären Schutz, für den derzeit der Familiennachzug ausgesetzt ist. In knapp sieben Prozent der Fälle wurde ein Abschiebeverbot verhängt. Abgelehnt wurden 38,5 Prozent der Anträge. Der Rest wurde anderweitig erledigt, unter anderen aus formellen Gründen.
Die Zahl der 2017 registrierten Flüchtlinge fällt in die Spanne, die Union und SPD bei den Sondierungen für eine neue große Koalition als maximale Einwanderungszahl festgelegt hatten. Demnach sollen pro Jahr nicht mehr als 180.000 bis 220.000 Flüchtlinge kommen.
Neuregelung des Familiennachzugs
Teil des zwischen Union und SPD besprochenen Pakets ist dabei auch eine Neuregelung des derzeit ausgesetzten Familiennachzugs für subsidiär geschützte Flüchtlinge. Demnach sollen künftig pro Monat 1.000 Angehörige von in Deutschland lebenden Schutzberechtigten nachgeholt werden. De Maizière sprach von einem Kontingent, für das in den weiteren Gesprächen in einer möglichen erneuten großen Koalition noch Kriterien festgelegt werden müssten. De Maizière bezeichnete den Kompromiss als „vernünftig“, da er ausschließe, eine Entscheidung ins Unbekannte zu treffen. Schätzungen über den möglichen Familiennachzug gehen weit auseinander.
De Maizière erklärte auch, dass die Absprache, im Gegenzug zur Familiennachzugsregelung die freiwilligen Übernahmen von Flüchtlingen aus Griechenland und Italien zu beenden, keine Absage an EU-Umverteilungen sei. „Sollte es zu neuen Relocation-Beschlüssen kommen, werden wir die selbstverständlich auch zusätzlich erfüllen“, sagte er. Im Zuge der Relocation hatten Deutschland und andere EU-Länder Schutzsuchende aus den besonders belasteten EU-Grenzstaaten übernommen. Das Programm endete bereits vergangenen Spätsommer. Derzeit werden noch die letzten Flüchtlinge, auf die das Programm zutraf, auf freiwilliger Basis umgesiedelt. (epd/mig) Aktuell Politik
Wir informieren täglich über das Wichtigste zu Migration, Integration und Rassismus. Dafür wurde MiGAZIN mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet. Unterstüzte diese Arbeit und verpasse nichts mehr: Werde jetzt Mitglied.
MiGGLIED WERDEN- Fachkräftemangel vs. Abschiebung Pflegeheim wehrt sich gegen Ausweisung seiner Pfleger
- „Diskriminierend und rassistisch“ Thüringer Aktion will Bezahlkarte für Geflüchtete aushebeln
- Verwaltungsgerichtshof Nürnberg muss Allianz gegen rechts verlassen
- Brandenburg Flüchtlingsrat: Minister schürt Hass gegen Ausländer
- Ein Jahr Fachkräftegesetz Bundesregierung sieht Erfolg bei Einwanderung von…
- Chronisch überlastet Flüchtlingsunterkunft: Hamburg weiter auf Zelte angewiesen