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"Das macht uns Angst"

Berichte über Gewaltvorfälle verunsichern Cottbus

Überfälle auf Flüchtlinge, Messerattacken gegen Einheimische: Cottbus ist nach mehreren Gewalttaten in die Schlagzeilen gerückt. Die brandenburgische Landespolitik versucht, mit mehr Geld und einem Zuzugsstopp für neue Flüchtlinge gegenzusteuern. Von Yvonne Jennerjahn

Von Yvonne Jennerjahn Montag, 29.01.2018, 6:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 05.02.2018, 22:11 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

„Manche Ausländer und manche Deutsche machen Probleme.“ So beschreibt eine syrische Frau in Cottbus die Lage in der Stadt: „Das ärgert uns, das macht uns Angst“, sagt sie. Als sie vor zwei Jahren nach der Flucht aus ihrer Heimat nach Cottbus gekommen sei, habe sie „alles sehr gut gefunden“. Sie hat schnell Deutsch gelernt und arbeitet inzwischen als Übersetzerin. „Wir hatten das gute Gefühl, wir sind hier jetzt in Sicherheit“, erzählt die 45-Jährige. Doch seit einigen Wochen sei alles anders und sie überlege nun, aus Cottbus wegzuziehen. „Das ist schade“, sagt sie: „Ich bin traurig.“

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Überfälle auf Flüchtlinge und Attacken von Asylbewerbern gegen Einheimische haben Cottbus in den vergangenen Wochen in die Schlagzeilen gebracht. Brandenburgs Kulturministerin Martina Münch (SPD), deren Wahlkreis Cottbus ist, nennt die Vorfälle und den dadurch entstandenen Eindruck von der Stadt verheerend. Cottbus sei nicht fremdenfeindlich, seit Jahren gebe es dort ein großes Engagement für Weltoffenheit.

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Der Verein Opferperspektive, der Opfer rechtsextremer und rassistischer Gewalt in Brandenburg unterstützt, zeichnet schon länger ein eher düsteres Bild von der Stadt und spricht von „enthemmter rassistischer Gewalt“. Cottbus ist seit langer Zeit eine Hochburg der Neonazi-Szene in Brandenburg. Die AfD ist dort bei der Bundestagswahl mit gut 24 Prozent stärkste Partei geworden. Zugleich bemüht sich die hoch verschuldete Stadt mehr als andere Orte um die Integration von Flüchtlingen.

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Bürgermeister: Belastungsgrenze erreicht

Der Anteil der Ausländer an den gut 100.000 Cottbusser Einwohnern ist auch deshalb stark angewachsen und nach Angaben der Stadt in den vergangenen Jahren von 2,5 auf 8,5 Prozent gestiegen. Unter den rund 8.500 Menschen mit nicht-deutscher Staatsbürgerschaft sind unter anderem knapp 4.300 Flüchtlinge und rund 1.600 internationale Studierende der Brandenburgischen Technischen Universität BTU.

Die Stadt habe bei der Aufnahme von Flüchtlingen die Belastungsgrenze erreicht, sagt Oberbürgermeister Holger Kelch (CDU) und schildert Probleme unter anderem im Kita- und Schulbereich, darunter unzureichende Deutschkenntnisse der Kinder und mangelnden Respekt vor Frauen, die als Sozialarbeiterinnen mit Flüchtlingen arbeiten.

„Aufgeputscht durch die große rechtsextreme Szene“

In der Fürst-Pückler-Passage am Bahnhof sitzt ein Mann in einem Café beim Bier und blättert in einem Boulevard-Blatt. „Es fallen zwar die vielen Ausländer auf, aber selbst habe ich noch keine Merkwürdigkeiten erlebt“, sagt der 84-Jährige freundlich: „Ich halte es für überzogen, was jetzt über Cottbus überall berichtet wird.“ Die Vorfälle seien „natürlich unmöglich“, sagt er zu den jüngsten Gewalttaten junger Flüchtlinge, die bei der Polizei bereits wegen anderer Vorfälle bekannt waren. Aber die „Wut-Bewegung“, die sich nun dagegen richte, sei „aufgeputscht durch die große rechtsextreme Szene, die wir hier haben“.

„Ich habe welche im Haus, ich habe damit kein Problem“, sagt eine Frau zum Thema Flüchtlinge: „Aber man muss nicht alles reinholen und reinlassen.“ Rund 15 Prozent seiner Kunden seien „Neu-Deutsche“, sagt ein Verkäufer im Einkaufszentrum Blechen-Carré, wo es wiederholt zu Übergriffen kam: „95 Prozent davon empfinde ich als normal.“ Einig sind sie sich die meisten, dass es nur mit wenigen Flüchtlingen Schwierigkeiten gebe, nämlich mit jungen Männern in Gruppen. Die seien laut, auch respektlos, zum Teil aggressiv, machten keinen Platz, wenn jemand vorbei wolle, sagen sie.

Bild „völlig überzeichnet“

Nach den Messerattacken hätten syrische Flüchtlinge dem Oberbürgermeister geschrieben, dass sie sich für ihre Landsleute schämen, erzählt die Superintendentin des evangelischen Kirchenkreises Cottbus, Ulrike Menzel. Und die Gewalttaten seien Einzelfälle. Das Bild, das jetzt von der Stadt verbreitet werde, sei „völlig überzeichnet“, betont die Theologin: „Ich lasse auf die Stadt Cottbus nichts kommen, hier wird zielgerichtet konsequent gehandelt.“

Das Land hat nun mehr Sozialarbeiter, mehr Geld und mehr Polizeipräsenz angekündigt und einen Zuzugsstopp für neue Flüchtlinge verhängt. Solche Zuzugssperren gibt es bereits für die niedersächsischen Städte Salzgitter, Delmenhorst und Wilhelmshaven. „Die Politik reagiert im Moment ein wenig nervös“, sagt Lothar Judith dazu: „Es ist ja nicht so, dass die Gewalt nur von einer Seite ausgeht.“ Die Stadt sei bei der Betreuung der Flüchtlinge lange alleingelassen worden, kritisiert der Gewerkschafter, der dem Vorstand der Initiative „Cottbuser Aufbruch“ gegen Rechtsextremismus angehört. Mehr Geld vom Land sei deshalb gut. Und: „Wenn jemand Verbrechen begeht, gehört er bestraft, egal wo er herkommt.“ (epd/mig) Gesellschaft Leitartikel

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