Hilfswerk Misereor
„Abschreckung von Flüchtlingen ist eine Illusion“
Das Hilfswerk Miserer übt scharf Kritik an der Deutschen und Europäischen Flüchtlingspolitik. Höhere und gefährliche Zäune würden Menschen nicht davon abhalten nach Europa zu fliehen. Deutschlands Tunnelblick in der Flüchtlingspolitik sei schädlich und falsch.
Von Marc Engelhardt Montag, 05.02.2018, 6:21 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 05.02.2018, 15:43 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
Die Lebensbedingungen der Flüchtlinge in Marokkos Grenzgebiet zur EU sind laut Entwicklungshelfern untragbar. „In der Gegend um die spanische Exklave Melilla leben bis zu 5.000 Flüchtlinge aus Westafrika und Nahost unter schlimmsten Verhältnissen, unter Plastikplanen“, sagte der Geschäftsführer von Misereor, Martin Bröckelmann-Simon, dem Evangelischen Pressedienst nach einer Reise in die Region. Die Menschen hätten kaum mehr als eine Decke. Zudem lebten sie unter ständiger Angst vor Razzien, bei denen die marokkanische Polizei die im Wald gelegenen Camps niederbrenne.
Ungeachtet der Not und der Grenzanlagen, zu denen drei sechs Meter hohe Zäune, patrouillierte Gräben, Kameras und Sensoren gehören, probierten Flüchtlinge immer wieder, die Grenze nach Melilla zu überwinden. „Die Abschreckung von Flüchtlingen durch immer höhere und immer gefährlichere Zäune ist eine Illusion“, warnte der Geschäftsführer des katholischen Hilfswerks. So habe er mit einem jungen Flüchtling gesprochen, der sich vergangene Weihnachten auf der Flucht beide Beine gebrochen habe und, obwohl bereits auf spanischem Boden, unmittelbar wieder nach Marokko abgeschoben worden sei. „Er sagt er wartet, bis sie geheilt sind, und versucht es dann wieder.“
Bröckelmann-Simon kritisierte solche sogenannten „heißen Abschiebungen“, bei denen Flüchtlinge, die bereits spanischen Boden erreicht haben, durch Tore im Grenzzaun wieder zurückgeschickt werden, ohne einen Asylantrag stellen zu können. „Es ist menschenrechtlich hoch problematisch, wie Marokkaner und Spanier das schmutzige Geschäft der EU erledigen.“ Der europäische Gerichtshof für Menschenrechte hatte die Praxis im vergangenen Jahr in erster Instanz verurteilt.
Grenzpolitik erschwert Integration
Die rigide Grenzpolitik der EU erschwert dem Misereor-Geschäftsführer zufolge indirekt auch die Integration von Flüchtlingen, die in Marokko bleiben wollen. Registrierungsstellen, bei denen Afrikaner legal eine Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigung für Marokko erhalten können, blieben in den Städten nahe der spanischen Exklaven Melilla und Ceuta geschlossen. Zudem herrsche trotz der positiven Gesetzeslage immer wieder auch Behördenwillkür. „Polizisten greifen sogar Afrikaner mit Aufenthaltsberechtigung auf und deportieren sie innerhalb des Landes, wenn sie glauben, sie könnten auf dem Weg nach Europa sein.“
Von der Politik auch in Deutschland forderte Bröckelmann-Simon kurzfristige Lösungen für Flüchtlinge in Ländern wie Marokko. Entwicklungshilfe könne Lebensverhältnisse nur langfristig verbessern. „Der bei den Verhandlungen zwischen Union und SPD vorherrschende Tunnelblick, dass Entwicklungshilfe nur zur Fluchtursachenbekämpfung dient, ist schädlich und falsch.“ Zunächst sei eine gesteuerte Einwanderungspolitik notwendig, etwa über zeitlich begrenzte Arbeitsvisa. „Noch in den 1980er Jahren konnten Afrikaner auf diese Weise problemlos in Italien oder Spanien als Saisonarbeiter Geld verdienen.“ (epd/mig) Aktuell Politik
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