EU-Antisemitismus-Beauftragte
„Es fängt mit den Juden an und es hört nicht mit ihnen auf.“
EU-Antisemitismusbeauftragte Schnurbein fordert mehr Anstrengungen zum Schutz von jüdischen Einrichtungen. Antisemitismus sei ein wichtiger Indikator für die Gesellschaft. Derweil äußert sich der Generalsekretär der Evangelischen Akademie skeptisch zu Antisemitismusbeauftragtem. Von Elisa Makowski
Montag, 19.02.2018, 6:23 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 20.02.2018, 17:14 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Die Antisemitismusbeauftragte der EU-Kommission, Katharina von Schnurbein, fordert die EU-Staaten auf, die Kosten zur Sicherung jüdischer Einrichtungen nicht auf jüdische Gemeinden abzuwälzen. „In vielen Mitgliedstaaten ist nicht klar, wer für die Ausbildung und Fortbildung der Sicherheitsleute und die Kosten von Sicherheitsschleusen aufkommt“, sagte Schnurbein dem Evangelischen Pressedienst vor Beginn der Internationalen Antisemitismuskonferenz in Wien. Oftmals sorgten jüdische Organisationen dann selbst für erhöhte Sicherheit und bezahlten dafür aus eigener Tasche. Dabei habe der Staat die Verantwortung, für die Sicherheit aller seiner Bürger zu sorgen, betonte Schnurbein. Antisemitismusbekämpfung sei daher nicht in erster Linie eine Verantwortung der jüdischen Gemeinden, sondern der Gesellschaft als Ganzes.
Die derzeitige Situation verlange, dass Synagogen, jüdische Kindergärten und Schulen einen erhöhten Schutz brauchten, sagte Schnurbein. In Frankreich habe dadurch die Anzahl antisemitischer Straftaten vermindert werden können. „Doch unser Ziel muss immer sein, dass das nicht zur Normalität wird“, betonte sie. Es dürfe nicht sein, dass sich säkulare wie auch religiöse Juden verstecken müssten in Europa. „Europa ohne Juden ist nicht mehr Europa.“
Antisemitismus ein Indikator
Info: „An End to Antisemitism!“: 18. bis 22. Februar 2018 an der Universität Wien. Die Eröffnung der Konferenz findet am Sonntag, 18. Februar 2018, 17 Uhr im Festsaal des Wiener Rathauses, statt. Einleitende Worte sprechen Bundespräsident Alexander Van der Bellen und der Präsident des European Jewish Congress, Moshe Kantor. Festredner ist der französische Philosoph Bernard-Henri Lévy.
Antisemitismus sei ein Indikator, dass sich eine Gesellschaft zum Schlechten hin entwickele. „Es fängt mit den Juden an und es hört nicht mit ihnen auf“, mahnte Schnurbein, die seit Dezember 2015 Koordinatorin der Europäischen Kommission zur Bekämpfung von Antisemitismus ist.
Schnurbein nimmt an der internationalen Antisemitismuskonferenz „An End to Antisemitism!“ teil, die vom 18. bis 22. Februar in Wien stattfindet. Zu der Veranstaltung werden politische und religiöse Entscheidungsträger erwartet sowie internationale Antisemitismus-Experten. Zum Abschluss sollen konkrete Maßnahmen zur Bekämpfung von Judenfeindlichkeit verabschiedet werden.
Gesonderte Erhebung antisemitischer Straftaten
Die Beauftragte forderte alle EU-Staaten auf, antisemitische Straftaten gesondert zu erheben. Dies sei laut Europäischer Grundrechteagentur in elf EU-Staaten noch nicht der Fall. Doch je detaillierter die Datenerhebung zu antisemitischen Vorfällen ist, desto gezielter könne die Strafverfolgung angepackt werden, sagte Schnurbein.
Wichtig sei, die Zusammenarbeit von NGOs und Polizei zu verstärken. „Die Datenerhebung funktioniert immer dann besonders gut, wenn Meldestellen, die antisemitische Vorfälle aufnehmen, eng mit den jüdischen Gemeinden zusammenarbeiten, die Daten mit der Polizei abgleichen und auch Opferschutz anbieten“, erklärte sie. Zwei hervorragende Beispiele seien die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus in Berlin und der Community Security Trust in London.
Skepsis zu Antisemitismusbeauftragtem
Derweil hat der Generalsekretär der Evangelischen Akademien in Deutschland, Klaus Holz, Bedenken angesichts der geplanten Berufung eines Antisemitismusbeauftragten auf Bundesebene geäußert. Seiner Meinung nach sei es „tatsächlich fraglich, wie dieses Amt sinnvoll ausgefüllt werden kann“, teilte sein Sekretariat am Freitag mit.
Er sei „sehr skeptisch“, ob ein solches Amt insgesamt zu einer Verbesserung führe, sagte er dem Bundesausschuss Politische Bildung in einem Interview. Damit distanzierte sich Holz von den Forderungen des Unabhängigen Expertenkreises Antisemitismus des Bundestags, das auf die Schaffung dieses Amtes dringt. Holz war selbst Mitglied dieses Arbeitskreises.
Holz: Ausgestaltung problematisch
Vor allem bei der Ausgestaltung des Amts des Antisemitismusbeauftragten sieht Holz Probleme. Dazu gehört, dass der Beauftragte das Engagement der zivilgesellschaftlichen Akteure in diesem Bereich unterstützen müsse, ohne deren „Vielfalt und Eigenständigkeit zu unterlaufen“. Das zivilgesellschaftliche Engagement aber hänge von staatlichen Förderprogrammen ab. Ob das Amt tatsächlich zur Bekämpfung des Antisemitismus beitragen könne, hänge entscheidend von der Person ab, die es bekleidet, sagte Holz. Er selbst könne sich Petra Pau (Linke) oder Volker Beck (Grüne) in diesem Amt vorstellen.
Der Koalitionsvertrag von Union und SPD sieht die Einführung des Amtes „eines Beauftragten für jüdisches Leben in Deutschland und den Kampf gegen Antisemitismus“ vor. Weil „die Bekämpfung des Antisemitismus eine dauerhafte Aufgabe für Politik und Gesellschaft ist und bleibt“, hatte der Unabhängige Expertenkreis Antisemitismus einen Antisemitismusbeauftragten gefordert. (epd/mig) Aktuell Gesellschaft
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