Jahresstatistik
Beschwerden über Presse wegen Herkunftsnennung gehen zurück
Die Herkunftsangabe bei Verdächtigen in der Presse sorgte vor einem Jahr für heftige Diskussionen in Verlagshäusern. Die für Journalisten geltende Richtlinie wurde daraufhin geändert - mit Erfolg, findet der Deutsche Presserat.
Donnerstag, 08.03.2018, 6:24 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 11.03.2018, 13:07 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Ein knappes Jahr nach der Änderung der Richtlinie zur Herkunftsnennung in Berichten über Straftaten hat der Deutsche Presserat eine vorsichtig positive Bilanz gezogen. Die Beschwerden über die Erwähnung der Nationalität von Straftätern seien zurückgegangen, sagte der Sprecher des Selbstkontrollorgans, Manfred Protze, am Mittwoch bei der Vorstellung des Jahresberichts des Presserats in Berlin. Seit der Neuformulierung der Richtlinie im März 2017 bis Dezember 2017 gingen demnach 23 Beschwerden ein, im gleichen Zeitraum 2016 waren es noch 42 gewesen. Protze geht dennoch davon aus, dass die Diskussion um Herkunftsnennungen weitergeht, schon allein weil die Informationspolitik der Polizei andere Standards hat als die Presse.
Am 22. März 2017 hatte der Presserat auf Initiative von Printmedien seine Richtlinie 12.1 im Pressekodex geändert. Sie fordert seitdem statt eines „begründbaren Sachbezugs“ ein „begründetes öffentliches Interesse“ als Voraussetzung dafür, die Herkunft von Tätern oder Verdächtigen zu erwähnen. Die alte Praxis war vor allem im Zuge der Berichterstattung über die sexuellen Übergriffe in der Kölner Silvesternacht 2015/16 in die Kritik geraten. Unter dem Schimpfwort „Lügenpresse“ wurden Journalisten beschuldigt, die Herkunft ausländischer Täter bewusst zu verschweigen.
Erwähnung der Herkunft schürt Vorurteile
Ziel der Richtlinie ist es, so formuliert es der Presserat, „Menschen davor zu schützen, für das Fehlverhalten einzelner Mitglieder ihrer Gruppe unbegründet öffentlich in Mithaft genommen zu werden“. Belastbare Studien zeigten, dass die Erwähnung der Herkunft Vorurteile schüre, erläuterte Protze. Es sei konkreter Ansatz der Nationalsozialisten gewesen, im Zusammenhang mit Kriminalität bestimmte Gruppen zu nennen. „Das will die deutsche Presse nicht“, sagte Protze und betonte, eine substanzielle Änderung der Richtlinie habe es auch mit der Neufassung nicht gegeben.
Vielmehr sollte die Richtlinie seinen Worten zufolge handhabbarer für Redaktionen gemacht werden. Im Mai 2017 formulierte Leitsätze geben nun Anhaltspunkte, wann die Herkunftsnennung vertretbar ist, etwa bei besonders schweren Straftaten oder wenn die Taten aus einer Gruppe heraus begangen werden, die ein bestimmtes Merkmal verbindet. Reine Neugier sei aber kein Grund.
Keine häufigere Herkunftsnennung
Eine häufigere Nennung von Nationalitäten sei seit der Änderung der Richtlinie nicht festzustellen, sagte Protze dem epd. Weitere Diskussionen erwartet er nach eigenen Worten dennoch durch die inzwischen leicht für jedermann verfügbaren Veröffentlichungen der Polizei. Redaktionen rät er, Entscheidungen über die Weitergabe von Details über Täter oder Verdächtige zu erklären, wenn Leser fragen, warum die Polizei die Herkunft nennt, die Zeitung aber nicht.
Der Deutsche Presserat als Selbstkontrollorgan der deutschen Presse prüft bei Beschwerden von Lesern oder Institutionen, ob die beanstandete Berichterstattung mit den Regeln des Pressekodex‘ vereinbar ist. Der Kodex formuliert Standards journalistischer Arbeit und ethischen Verhaltens der Presse.
Weniger Beschwerden
Dem Jahresbericht zufolge gingen 2017 insgesamt 1.788 Beschwerden ein, etwas weniger als 2016. Zur härtesten Sanktion – der öffentlich zu machenden Rüge – griff der Presserat 21 Mal. 2016 gab es 33 Rügen. Fast die Hälfte der Rügen (neun) erging wegen Verstößen gegen das Gebot der Trennung von Redaktion und Werbung.
Zudem wurden vom Presserat 2017 insgesamt 58 Missbilligungen und 153 Hinweise ausgesprochen. Am häufigsten ging es bei den Sanktionen insgesamt um Verletzungen der Sorgfaltspflicht, gefolgt von Verstößen gegen den Grundsatz der Trennung von Werbung und Redaktion oder das Persönlichkeitsrecht. Abgemahnt wurde beispielsweise die Veröffentlichung der Fotos von Opfern des Terroranschlags in Manchester, die von Facebook stammten oder die in den Augen des Presserats mit einer Prangerwirkung behaftete Darstellung von G-20-Demonstranten in Verbindung mit einem Fahndungsaufruf. (epd/mig) Aktuell Panorama
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