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Debatte um Meldesystem

Ministerium: Kein Bedarf für gesonderte Erfassung antisemitischer Vorfälle an Schulen

Das Bundesinnenministerium sieht für die Schaffung eines polizeilichen Meldesystems für antisemitische Vorfälle an Schulen keine Veranlassung. Doch Forderungen nach Registrierung halten an. Schleswig-Holstein arbeitet schon an neuer Datenbank.

Donnerstag, 05.04.2018, 6:22 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 08.04.2018, 21:17 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

In der Diskussion über Antisemitismus an Schulen halten Forderungen nach einer genaueren Erfassung solcher Vorfälle an. Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) schloss sich dem Wunsch nach einer bundesweiten Statistik für judenfeindliche Straftaten an Schulen an. Man müsse ein klares Bild davon bekommen, wie verbreitet antisemitische Gewalt bereits im Schulalltag sei, sagte der Minister und stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende am Mittwoch dem Evangelischen Pressedienst in Stuttgart. In Schleswig-Holstein arbeitet man bereits an einer gesonderten Erfassung. Voraussichtlich im nächsten Schuljahr soll eine entsprechende Datenbank an den Start gehen, teilte das Innenministerium in Kiel mit.

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In der Polizeilichen Kriminalstatistik sei nicht eindeutig zu erkennen, ob eine Tat an einer Schule oder an einer anderen öffentlichen Einrichtung geschehen ist, erklärte ein Ministeriumssprecher in Kiel. Die neue Datenbank, die derzeit aufgebaut werde, soll Auskunft über Gewaltvorfälle und Vorfälle im Kontext gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit geben, erklärte er.

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Innenministerium: Gesondertes Meldesystem nicht erforderlich

Auch Strobl bemängelte, bislang werde in der bundesweit einheitlichen Statistik zur politisch motivierten Kriminalität der Begriff „Schule“ nicht erfasst. Deshalb lägen auch für sein Bundesland keine belastbaren Zahlen zu antisemitischen Straftaten an Schulen vor.

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Wie das Bundesinnenministerium mitteilte, werden antisemitische Delikte in der Statistik erfasst, wenn der Tatort eine Schule ist. Für die Einführung eines weiteren polizeilichen Meldesystems werde vor diesem Hintergrund keine Veranlassung gesehen, sagte eine Sprecherin des Ministeriums in Berlin. Gleichzeitig betonte sie, dass Initiativen, darüber hinaus Vorfälle aus dem nicht strafrechtlich relevanten Bereich des interkulturellen Zusammenlebens zu dokumentieren, einen Beitrag zur Analyse leisten könnten. Dies sei dann aber nicht Aufgabe der Polizei, sondern Sache der zuständigen Bildungsbehörden und Schulen.

Unterschiedliche Meldesysteme

Wie eine Umfrage den Ministerien der Länder ergab, gibt es vielerorts bereits Meldesysteme für den Schulbereich. Thüringer Schulen melden „Besondere Vorkommnisse“ wie Vandalismus oder das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen an das dortige Bildungsministerium, wie Ministeriumssprecher Frank Schenker mitteilte. Fälle von sogenanntem religiösem Mobbing würden dabei nicht eigens gekennzeichnet, sondern vermutlich als fremdenfeindlich oder rechtsextremistisch motiviert erfasst, erklärte der Sprecher.

Auch im Bildungsministerium von Sachsen-Anhalt hieß es, es gebe zwar kein Meldesystem gesondert für antisemitische Vorfälle, aber eine Meldekette für besondere Fälle im Allgemeinen. Dabei informiere die Schule das Schulamt. In Berlin verwies der Innensenat auf ein vorhandenes Meldesystem für Gewaltvorfälle.

Gesonderte Erfassung judenfeindlicher Straftaten

Die Innenressorts verwiesen ansonsten wie das Bundesinnenministerium auf die Statistik politisch motivierter Kriminalität (PMK), die judenfeindliche Straftaten gesondert erfasst. 2017 gab es nach dieser Statistik bundesweit 1.500 antisemitische Straftaten. Das Innenministerium in Brandenburg erklärte, ein gesondertes bundesweites Meldesystem sei aus seiner Sicht nicht erforderlich.

Berichte über die Bedrohung einer jüdischen Schülerin in Berlin hatten eine Debatte über mögliche neue Meldesysteme entfacht. Der Unionsfraktionsvorsitzende Volker Kauder (CDU) hatte sich für eine Meldepflicht für judenfeindliche Vorfälle an Schulen ausgesprochen. Der Vorsitzende des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, sprach sich für die Schaffung einer eigenen Einrichtung aus, die antisemitische Vorfälle erfasst. (epd/mig) Aktuell Politik

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