Buchtipp zum Wochenende
Ein Spaziergang durch die arabische Kultur
Für ihre Übersetzung von "Tausendundeine Nacht" wurde sie bekannt. Mit einem neuen Buch wendet sich Claudia Ott jetzt an Menschen, die erste Erfahrungen mit der arabischen Sprache sammeln: mit kurzen Lesestücken und orientalischem Flair. Von Karen Miether
Von Karen Miether Freitag, 18.05.2018, 5:20 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 22.05.2018, 22:10 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Durch den früheren Heuschober im Heidedorf Beedenbostel bei Celle weht ein Hauch von Orient. Wer das Büro von Claudia Ott betritt, muss vorher die Schuhe ausziehen. Unter den Balken hängen Messingleuchten. Über die Rücken von Wörterbüchern und Lexika in den Borden ziehen sich – farbig und golden illustriert – arabische Buchstaben. Daneben stehen die beiden Bände mit Erzählungen aus „Tausendundeine Nacht“, mit deren Übersetzung sich Ott einen Namen gemacht hat. „Das hat komplett mein Leben verändert“, sagt die Orientalistin. „Es ist ein inneres Bagdad, das ich mitten in Beedenbostel betreten darf.“
Für ihre Neuübersetzung, mit der sie erstmals die älteste erhaltene arabische Fassung der berühmten orientalischen Erzählsammlung auch in deutscher Sprache zugänglich machte, wurde die 50-Jährige von Kritikern gefeiert und ausgezeichnet. Mit ihrem zweiten Band des weltberühmten Zyklus hat sie eine Handschrift aus der türkischen Rasit-Efendi-Bibliothek mit dem Ende von „Tausendundeine Nacht“ wiederentdeckt und dem Vergessen entrissen.
Durch die Flüchtlingsbewegung aus den arabischen Ländern in den vergangenen Jahren bekam ihre Arbeit einen zusätzlichen Akzent. Das Taschenbuch „Erste arabische Lesestücke“, das sie zuletzt herausgab, wendet sich unter anderen an Helfer, die durch die Bekanntschaft mit Flüchtlingen auch Interesse an der arabischen Sprache und Kultur gewonnen haben. Weil alle Texte auch in wissenschaftlicher Transkription abgedruckt seien, werde es zudem an Universitäten als Lehrbuch eingesetzt, sagt Ott.
Eine besondere Mischung
Gemeinsam mit dem deutsch-palästinensischen Autor Salim Alafenisch und der Arabistin Antje Lenora hat sie für das Buch eine besondere Mischung zusammengetragen. „Wir haben ungewöhnliche Quellen der arabischen Literatur genommen“, sagt die Übersetzerin. „Texte, die trotzdem kurz und für Anfänger zugänglich sind.“ Dazu zählen ein Vers aus einer irakischen Gedichtsammlung des 10. Jahrhunderts ebenso wie kurze Rezepte für arabischen Kaffee oder Huhn. „Und es gibt Witze“, sagt Ott. Dabei würden etwa die Menschen aus dem syrischen Homs ebenso auf den Arm genommen wie in Deutschland die Ostfriesen. „Da kommen genau die gleichen Pointen wie bei uns.“
„Meine Mitherausgeber und ich freuen uns besonders über arabischsprachige Leser, die mit unserem Büchlein ihre eigene Literatur und Kultur wieder neu entdecken und ihren deutschen Gesprächspartnern vorstellen können“, sagt die promovierte Arabistin. „Das Buch ist ein Spaziergang durch die arabische Kultur.“ Sie sieht sich selbst als Brückenbauerin in einer Zeit, in der diese Kultur auch an Deutschland näher herangerückt ist. Für den evangelischen Kirchenkreis Celle unterrichtet sie Haupt- und Ehrenamtliche aus der Flüchtlingsarbeit in einem Arabischkurs. Ebenfalls mit Unterstützung der Kirche hat sie ein Musikensemble mit arabischsprachigen Musikern ins Leben gerufen.
Der Auftrag für „Tausendundeine Nacht“
Dass sie selbst die arabische Kultur liebt, ist in der alten Scheune bei Celle überall spürbar. Die roten Locken mit einem Tuch zurückgebunden gibt Ott den Blick frei auf den orientalischen Schmuck an ihrem Hals und den Ohren. An den Wänden hängen Kalligraphien des aus Syrien stammenden Künstlers Zuheir Elia, der auch das im dtv-Verlag herausgebrachte deutsch-arabische Lesebuch illustriert hat. In einer Halterung finden sich mehrere orientalische Rohrflöten, die zu den Instrumenten gehören, die die Musikerin und Chorleiterin spielt.
Info: Claudia Ott (Hrsg.), Salim Alafenisch (Hrsg.), Antje Lenora (Hrsg.), Erste arabische Lesestücke, dtv zweisprachig, Kalligraphien von Zuheir Elia, 192 Seiten, Oktober 2017, 11,90 Euro, ISBN 978-3-423-09537-2
Nach der Uni hatte sie sich eine Auszeit genommen und in Ägypten ein Stipendium für das Studium der arabischen Musik begonnen. Dann kam der Auftrag für die Übersetzung des ersten Teiles von „Tausendundeine Nacht“, erzählt sie. Ein Auftrag mit Folgen. Für einen dritten Teil hat Ott schon eines der dicken Bücher angelegt, in die sie eine erste handschriftliche Übersetzung einträgt. Dann gibt es mehr von der unermüdlichen Geschichtenerzählerin Schahrasad. „Sie ist die Erfinderin des Cliffhangers“, sagt Ott. „Sie hat immer aufgehört, wenn es am spannendsten war. Damit hat sie den König jede Nacht neu gefesselt und ihn davon abgehalten, sie zu töten.“ (epd/mig) Aktuell Rezension
Wir informieren täglich über das Wichtigste zu Migration, Integration und Rassismus. Dafür wurde MiGAZIN mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet. Unterstüzte diese Arbeit und verpasse nichts mehr: Werde jetzt Mitglied.
MiGGLIED WERDEN- Fachkräftemangel vs. Abschiebung Pflegeheim wehrt sich gegen Ausweisung seiner Pfleger
- „Diskriminierend und rassistisch“ Thüringer Aktion will Bezahlkarte für Geflüchtete aushebeln
- Verwaltungsgerichtshof Nürnberg muss Allianz gegen rechts verlassen
- Ein Jahr Fachkräftegesetz Bundesregierung sieht Erfolg bei Einwanderung von…
- Brandenburg Flüchtlingsrat: Minister schürt Hass gegen Ausländer
- Chronisch überlastet Flüchtlingsunterkunft: Hamburg weiter auf Zelte angewiesen