Anzeige

"Burkini-Pseudodebatte"

Giffey: Schwimmen ist wichtiger als Badebekleidung

Eine Schule in Nordrhein-Westfalen hat für muslimische Schülerinnen Ganzkörperbadeanzüge, sogenannte Burkinis, angeschafft. Seit dem steht die Schule in der Kritik. Familienministerin Giffey hingegen sieht darin einen pragmatischen Weg. Mazyek kritisiert "Pseudodebatten" der Islamkritiker.

Dienstag, 26.06.2018, 5:23 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 27.06.2018, 17:20 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) sieht in der Anschaffung von sogenannten Burkinis einen pragmatischen Weg, um die Teilnahme muslimischer Schülerinnen am Schwimmunterricht zu fördern. „Das Wichtigste ist ja das Wohl der Kinder, und das heißt nun mal, dass alle Schwimmen lernen“, sagte Giffey nach Angaben der „Zeit“-Verlagsgruppe vom Montag bei einer Veranstaltung am Vortag. Wenn Schulen die Teilnahme am Schwimmunterricht förderten, indem sie Burkinis erlauben und ausgeben, sei das zwar nicht gerade optimal und eine schwierige Situation – aber ein pragmatischer Weg. Auf Facebook betonte sie jedoch, dass sie Burkinis im Schwimmunterricht nicht befürworte.

Anzeige

Die Ministerin betonte: „Konsequent müssen wir darin sein, dass alle Kinder am Schwimmunterricht teilnehmen.“ Wichtig sei nur, dass der Bildungsauftrag im Vordergrund stehe und die Sache „nicht hochstilisiert wird zum Untergang des Abendlandes“.

___STEADY_PAYWALL___

Giffey: Schwimmen wichtiger als Bekleidung

Die Aussagen Giffeys stießen auf teils massive Kritik in den sozialen Medien. Daraufhin veröffentlichte die Ministerin am Montagnachmittag eine Stellungnahme auf ihrer Facebookseite, in der sie klarstellte: „Um es deutlich zu sagen: ich befürworte das Tragen von Burkinis im Schwimmunterricht nicht.“ Auch eine Ausstattung von Schulen mit Burkinis aus öffentlichen Geldern lehne sie ab. „Aus meiner Sicht haben kleine Mädchen keine sexuellen Reize, die es zu verhüllen gilt.“

Anzeige

Sie erläuterte, dass einige Mädchen mit ärztlichen Attesten die Teilnahme am Sportunterricht absagten. „Im Ergebnis nehmen Mädchen nicht am Schwimmunterricht teil und lernen deswegen nicht schwimmen. Das kann nicht unser Ziel sein.“ Die Ministerin unterstrich: „Für mich ist das Vermitteln einer Überlebenstechnik wichtiger als die Badebekleidung.“

Schule in der Kritik

Die Debatte war vor zwei Wochen entbrannt, weil eine Schule in Nordrhein-Westfalen solche Ganzkörperbadeanzüge angeschafft hatte. Medienberichten zufolge stellte das Pestalozzi-Gymnasium in Herne 20 Burkinis für den Schwimmunterricht von Musliminnen zur Verfügung. 15 Schülerinnen hätten das kostenlose Angebot bereits genutzt, schrieb die „Westdeutsche Allgemeine Zeitung“. Ohne den Ganzkörperanzug wären sie demnach nicht mit männlichen Mitschülern ins Becken gestiegen.

Laut „Spiegel online“ waren die Burkinis aber schon 2016 gekauft worden, als Teil eines Hilfeangebots für Schüler, die ansonsten Schwierigkeiten hätten, am Sportunterricht sowie auch am gesamten Schulleben inklusive der Klassenfahrten teilzunehmen. Das Geld stamme von Spenden oder aus Privatinitiativen. Fördermittel seien für den Kauf der Burkinis nicht verwendet worden.

Mazyek: Burkini-Pseudodebatte

Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime Aiman Mazyek sagte der „Neuen Osnabrücker Zeitung“, der von der Schule beschrittene Weg sei ein „vernünftiger und gangbarer Kompromiss“. Doch immer wenn solch vernünftige Kompromisse gefunden würden, wie Menschen religiöse Gebote und Schulpflicht unter einen Hut bringen könnten, „heulen die Islamkritiker reflexartig wieder auf“, beklagte er. „Solche Burkini-Pseudodebatten, die nebenbei die Rechten weiter stärken, lenken wieder von den eigentlichen Problemen ab.“

Mazyek sagte, er habe von den Kritikern noch nie ein Wort über die eigentliche Probleme in Deutschland bezüglich des Schwimmunterricht gehört und das seien: „Marode und geschlossene Schwimmhallen, fehlende Bademeister und eine Generation von Schülern, die nicht wie ich bis zur Oberstufe jedes Jahr Schwimmen hatte, sondern weitaus weniger und infolgedessen tatsächlich nicht richtig oder sogar gar nicht schwimmen kann. Das ist der eigentliche Skandal.“ (epd/mig)

Aktuell Politik

Zurück zur Startseite
MiGLETTER (mehr Informationen)

Verpasse nichts mehr. Bestelle jetzt den kostenlosen MiGAZIN-Newsletter:

UNTERSTÜTZE MiGAZIN! (mehr Informationen)

Wir informieren täglich über das Wichtigste zu Migration, Integration und Rassismus. Dafür wurde MiGAZIN mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet. Unterstüzte diese Arbeit und verpasse nichts mehr: Werde jetzt Mitglied.

MiGGLIED WERDEN
Auch interessant
MiGDISKUTIEREN (Bitte die Netiquette beachten.)

  1. FrankUnderwood sagt:

    Die Ministerin hat Recht allerdings sollte jeder die notwendige Badebekleidung aus eigener Tasche bezahlen.

    Wenn konservative Muslime Burkinis für ihre Töchter von den Schulen erhalten, egal ob aus eigenem Budget oder Spendengeldern, ist das eine Bevorzugung einer bestimmten Gruppe.

    Wie soll man dann Eltern mit Hartz IV erklären, dass sie die Badehose für ihren Sohn oder ihre Tochter selbst bezahlen sollen?!

  2. Ute Plass sagt:

    „Für mich ist das Vermitteln einer Überlebenstechnik wichtiger als die Badebekleidung.“

    Zustimmung!

  3. Die Kinder sollen so am Schwimmen teilnehmen, wie es alle tun. Punkt.

  4. Müllerin sagt:

    Schwimmen ist wichtig, da hat die Ministerin Recht. Die Anschaffung von Schwimmkleidung sollte allerdings einheitlich sein und nicht zwischen Religionen unterschieden werden. Wenn Eltern Badehose, Bikini oder Badeanzug für Sohn/Tochter selbst zahlen müssen, dann muss auch der Burkini von den Eltern selbst bezahlt werden.

  5. Stefan Böckler sagt:

    Tatsächlich gibt es eine Anzahl von Fällen, in denen eine Abwägung zwischen der Durchsetzung im jeweiligen Staat allgemeinverbindlicher Regelungen und dem Respektieren von davon abweichenden Orientierungen kultureller und religiöser Minderheiten zugleich notwendig und schwierig ist. Ich bezweifle allerdings, dass dies die Frage der Kleidung im Schwimmunterricht betrifft, da meines Wissens auch in anderen Bereichen der schulischen Bildung keine verbindliche Kleiderordnung existiert, Solange mit einer bestimmten Bekleidung keine gesundheitlichen Risiken verbunden sind oder aus irgendeinem Grunde die Rechte anderer Schüler/innen eingeschränkt werden, gehört es doch wohl zu den Grundrechten einer liberalen Gesellschaft, sich zu kleiden wie man möchte – und möglicherweise der Sache nach berechtigte Vermutungen, dass im Hintergrund des Tragens bestimmter Kleidungsstücke Werte stehen, die man so nicht teilen kann/mag, sollten es auch nicht erlauben, dieses Recht zu beschränken – ansonsten könnten bald die absurdesten Diskussionen über die Berechtigung bestimmter Bekleidungen und sonstiger Selbstdarsteillungsmittel aufgrund vermuteter dahinterstehender Gesinnungen entstehen (vielleicht sollte man auch das Tragen von Bomberjacken, Springerstiefeln und bestimmter Haarschnitte verbieten, die sicherlich auch stark korreliert sind mit bestimmten unerwünschten oder sogar verfassungswidrigen Einstellungen). Diese Art von ‚Gesinnungsethik‘ führt m. E. zu solchen sinnlosen Diskussionen. Das gilt m. E. auch für die über die Zulässigkeit des Tragens von Kopftüchern von Schülerinnen. Und auch das Argument, dass es sich hierbei um minderjährige Personen handelt, die also nur begrenzt seltbstbestimmt zu handeln in der Lage sind, zieht m. E. nicht; auch in anderen Bereichen entscheiden natürlich die Eltern darüber, was ihre Kindern tun und ist ein staatlicher Eingriff in dieses Bestimmungsrecht nur zulässig, wenn eine offensichtliche Verletzung des Kindeswohls vorliegt, die ich durch das Tragen eines Burkini nicht sehen kann. In jedem Fall wäre darüber hinaus im Einzelfall zu klären, ob es sich beim Tragen eines Burkini oder eines Kopftuchs um eine Entscheidung der Eltern oder der Schülerin handelt.

    Allerdings ist es tatsächlich auch nicht Aufgabe öffentlicher Institutionen, die Bekleidung von Privatpersonen zu finanzieren. Wer die Freiheit hat, sich so zu kleiden, wie es ihm beliebt, sollte selbstverständlich auch für die Kosten dafür aufkommen.