Causa Özil
Einmal Türke, immer Türke, der ewige Muslim
Viele meiner Studenten sagen mir: „Wir können machen, was wir wollen, als Deutsche werden wir nicht akzeptiert und gelten als die ‚ewigen Muslime‘.“ Dieser Zustand ist ein echtes Armutszeugnis für unser Land. Von Prof. Bülent Uçar
Von Prof. Dr. Bülent Uçar Mittwoch, 25.07.2018, 5:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 30.07.2018, 19:00 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
Unabhängig vom konkreten Hintergrund, den sportlichen Leistungen, den politischen Implikationen, dem desaströsen Krisenmanagement und den zahlreichen Kommunikationspannen hat die Özil-Debatte eine Determinante deutscher Integrationsdiskurse in den letzten Dekaden wieder in Erinnerung gerufen: Es fehlt großen Teilen der Presse in Deutschland komplett an einem Grundvermögen zur kritischen Selbstreflexion und Empathie.
Die Islam- und Integrationsdebatte hat im Land der Denker und Dichter insgesamt ein unterirdisches Niveau. Weite Teile der Medien beschäftigen entweder kaum Mitarbeiter mit Migrationsgeschichte oder häufig Personen, die teilweise bis zur Unkenntlichkeit angepasst ohne Bezug zu ihrem Herkunftsmilieu sind. Folglich fühlen sich schließlich diese Medien lebensfremd, zugangslos über den Dingen stehend und machen selbstredend alles richtig. Hinterfragen der eigenen Positionen und Selbstkritik? Fehlanzeige.
Stempel des Jammerlappens
Und in den sozialen Medien wird noch ungenierter gehetzt, gepöbelt und fremdenfeindlich agitiert. Ja, es wird in diesem Land in Behörden, im Beruf, in der Schule, auf dem Wohnungsmarkt und im Alltag mal offen ungeniert rassistisch und mal gut verpackt, in zivilisierter Manier ausgegrenzt, diffamiert und diskriminiert und wenn man dies anprangert, bekommt man von unseren „Qualitätsmedien“ schnell den Stempel des ewigen Jammerlappens und Opfers aufgedrückt.
Beachtenswert ist, wie selbstherrlich, hierarchisch und zugleich selbstentlarvend diese Rhetorik, um dem Rassismusvorwurf zu entgehen, weiterhin mit Unterstützung einiger selbsternannter Kronzeugen aus diesen „Migrantenmilieus“ funktioniert. Die vorgegebenen Narrative um die Deutungshoheit in der Integrationsdebatte muss von allen betroffenen Akteuren im öffentlichen Diskurs eingehalten werden, oder sie werden schlicht marginalisiert.
Ein echtes Armutszeugnis
So viel zur Meinungsfreiheit und Gleichbehandlung in meiner schönen Heimat, die man mir selbstverständlich jederzeit absprechen kann, sobald ich nicht funktioniere und leiste, wie erwünscht, weil ich wie Millionen andere Menschen noch eine weitere Herkunftsgeschichte habe und dazu stehe.
Viele meiner Studenten sagen mir: „Wir können machen, was wir wollen, als Deutsche werden wir nicht akzeptiert und gelten als die ‚ewigen Muslime‘.“ Dieser Zustand, der von Naika Foroutan über Sawsan Chebli in den letzten Tagen von vielen bereits beschrieben wurde, ist ein echtes Armutszeugnis für unser Land, weil genau dieser latente Vertrauensentzug nicht die „besorgten Bürger“ besänftigen, sondern die Rechten in diesem Land weiter stärken und salonfähig machen wird.
Gott sei Dank!
Interessanterweise ist die Politik hier insgesamt viel ausgewogener und feinfühliger als es manch ein Journalist ist. Unseren Medienvertretern scheinen – mit Blick auf Quotenoptimierung – in Teilen Integration, solidarisches Zusammenleben und das Forcieren von Entfremdungsprozessen ziemlich egal zu sein. Und ja, es gibt auch die Teile der Medien, der Meinungsmacher, welche an einer differenzierten Berichterstattung interessiert sind und sich tagtäglich fernab populistischer Irrwege um eine ordentliche faktenbasierte Übertragung von Nachrichten bemühen. Gott sei Dank!
Benötigt wird eine aufrichtige Auseinandersetzung: selbstkritisch – auch in Bezug auf die politischen Ereignisse der letzten Jahre in der Türkei – offen, dialogisch-konstruktiv, und keine Neuauflagen vorurteilsbeladener, hysterischer Selbstgespräche. Leitartikel Meinung
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Was leider völlig verkannt wird,ist dass insbesondere die Politikt (gerne auch grün und links) seit Jahren Öl ins Feuer giesst.
Insoweit teile ich keineswegs die Auffassung des Autors zu einem besonnenen Politikverhalten.
Bereits der ständig von der Polititk gebrauchte Begriff Migrant bzw. Migrationshintergrund ist per se rassisitisch, weil bereits hier zwischen Abstammungsdeutschen und Nichtabstammungsdeutschen unterschieden wird und diese statistisch auch so geführt werden.
Dies hat sogar zur Folge dass das Kind einer Abstammungsdeutschen und eines Eingebürgerten, obschon zur Zeit der Geburt beide Elternteile Deutsche waren statistisch nicht als Deutscher, sondern als Deutscher mit Migrationshintergrund geführt und in der Öffentlichkeit so benannt wird.
Zudem wird selbst bei diesen Kindern ein angeblicher Integrationsbedarf gesehen.
Es wird somit unterschieden zwischen reinen Abstammungsdeutschen und nicht reinen Abstammungsdeutschen.
Das ist Rassenlehre 2.0 nach Blut und Boden und im höchsten Maße abstammungsbezogen rassistisch.
Vor diesem gesellschaftlichen und institutionellen Rassismus verschließt die deutsche Öffentlichkeit indessen die Augen.
Aus Sicht des Schriftsteller Zafer Şenocak führe die Debatte um Rassismus deshalb auf ein ‚Abstellgleis‘ ,… weil es Rassismus auch in anderen Gesellschaften gebe. Schlimm wird es, wenn man den Rassismus verdeckt und so tut, als wäre man’s nicht. Ich glaube, jeder ist irgendwo in sich auch Rassist. Leider. Wir müssen schauen, wie wir es eingrenzen und wo die Schwachpunkte sind und dann kommen wir ins Gespräch.“
https://www.deutschlandfunkkultur.de/zafer-senocak-ueber-integration-schlimm-wird-s-wenn-man-den.2950.de.html?dram:article_id=423909
@President Obama
Sie schreiben:
—-
Andererseits ist es mir ein wenig zu undifferenziert, dass der DFB teils rassistisch reagiert haben soll.
Kann mir denn mal jemand erklären, wo der DFB rassistisch war?
—-
Können Sie uns erklären, an welcher Stelle Özil behauptet, dass der DFB rassistisch war? Ich konnte nur folgendes Statement finden: „Leute mit rassendiskrimierendem Hintergrund sollten nicht im größten Fußball-Verband der Welt arbeiten dürfen.“ Diese Aussage hat nicht mehr viel mit dem zu tun, was sie Özil unterstellen.
Man kann nur spekulieren, was Özil damit meinte. Er könnte damit auf Grindels Vergangenheit als CDU-Politiker abzielen. SPON schrieb beispielsweise 2016, dass Grindel vor der Ausbeutung der Sozialsysteme durch Zuwanderer warnte. In seinem Heimatwahlkreis forderte er mehr Polizei, damit die Bürger sich sicher fühlten vor den vielen Fremden. Grindel wollte, dass Flüchtlinge sich einer Gesundheitsprüfung unterziehen, bevor sie auf die Kommunen verteilt werden. Manche von ihnen könnten ja Infektionskrankheiten haben.
Solche Aussagen genügen in der Tat den üblichen Kriterien der Rassendiskriminierung. Was damit gemeint ist, finden sie im Anhang.
Der Einwanderer ist dagegen willkommen, wenn er dem DFB nützlich ist. Bei einer Veranstaltung des DFB mit Flüchtlingen sagte Grindel: „Aber wenn wir ehrlich sind, machen wir das als DFB auch ein bisschen für uns selbst. Der demografische Wandel klopft an jedes Vereinsheim, neue Talente sind hochwillkommen.“
Diesen Widerspruch Grindels zwischen seiner Rolle als Politiker und beim DFB beschreibt Özil in seiner viel zitierte Aussage: „In den Augen von Grindel und seinen Unterstützern bin ich Deutscher, wenn wir gewinnen, aber ein Migrant, wenn wir verlieren.“
Der SPON-Artikel von 2016 über Grindel und Özils Aussagen über Grindel sind ganz interessant zu lesen, geben sie doch unabhängig voneinander einen ähmlichen Einblick mit was für einem Typen Özil es zu tun hatte:
* http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-144021677.html
* https://sport.sky.de/fussball/artikel/alle-oezil-statements-im-wortlaut/11445499/34173
Anhang: Rassismus und Diskriminierung
Rassismus ist eine soziale Ausschließungspraxis. Er hierarchisiert, differenziert und entwertet Menschen, indem er ihnen konstruierte, meist negative gruppenspezifische Merkmale und Eigenschaften zuschreibt. Rassismus setzt die gesellschaftliche Macht einer Gruppe über eine marginalisierte andere voraus. Diskriminierung liegt vor, wenn Rassismus dazu führt, dass Menschen weniger soziale, politische und ökonomische Zugänge zu Ressourcen und weniger Chancen auf Teilhabe in einer Gesellschaft erhalten. Rassismus und Diskriminierung werden auf individueller, struktureller und institutioneller Ebene wirksam und diese Ebenen sind miteinander verwoben.
Bülent Ucar hat wohl leider recht, wenn er sagt, dass es Leute gibt, für die gilt: „Einmal Türke, immer Türke“. Ich selber kenne niemanden, der so denkt, ausser den tükischen Staatspräsidenten Erdogan, der sich das seit Jahr und Tag so wünscht – und Mesut Özils Mutter, von der wir das nach seinem Kündigungsschreiben an Deutschland jetzt auch wissen.