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Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU)

Nein, Herr Seehofer!

Ignoranz und Heuchelei sind die Mutter aller Probleme

Die integrationspolitische Ignoranz- und Verleugnungskultur der 1980er Jahre scheint sich kein bisschen verändert zu haben. Im Jahr 2018 wird Politik mit denselben Methoden betrieben. Und genau das ist die Mutter aller Probleme. Von Elif Köroğlu

Von Freitag, 26.10.2018, 5:23 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 19.03.2019, 14:49 Uhr Lesedauer: 5 Minuten  |  

Deutschland 2018, Chemnitz: Hochburg des Hasses, eine bürgerkriegsähnliche Stimmung, Selbstjustiz, Hexenjagd auf Deutsche mit Migrationshintergrund und Islam- und Muslimenfeindliche Slogans auf der einen Seite, Versagen der Polizei und die Reaktionen deutscher Politiker auf der anderen Seite. Als Crème de la Crème meldet sich der Bundesinnenminister und CSU-Vorsitzende Horst Seehofer zu Wort und verteidigt die Rechtsextremisten in Sachsen und zeigt Verständnis für die „Empörung“ der rechtsradikalen Demonstranten. Auf die Antwort, was erschreckender ist, wird an dieser Stelle verzichtet.

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„Ich wäre, wenn ich nicht Minister wäre, auch auf die Straße gegangen“ sagte er. Er fügte zwar hinzu, dass er „nicht gemeinsam mit Radikalen“ demonstriert hätte, doch die Frage, wie er zwischen den Bürgern, die rechtsextremistische Parolen skandieren und zwischen den „Radikalen“ unterscheidet, lässt viel Spielraum für verschiedene Interpretationen. Durch seine undifferenzierten Äußerungen suggeriert Seehofer Verständnis für die rechtsextremistischen Demonstranten in weiten Teilen der Bundesrepublik und relativiert damit die Gefahr des Rechtsrucks.

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Wie Hass und Angst Politikum werden

Es ist ist kein Geheimnis, dass Deutschland sich schon immer schwer damit abgefunden hat, dass es ein Einwanderungsland ist. Die Ignoranz- und Verleugnungskultur der 1980er Jahre, die sich durch Helmut Kohl mit dem berühmten Zitat „Wir sind kein Einwanderungsland“ etablierte, scheint sich kein bisschen verändert zu haben, sondern droht mit einer verschärfteren, ignoranteren Verfallsemantik. Denn Deutschland ist de facto ein Einwanderungsland und Migration kann nicht per se als Erklärung für gesellschaftliche Probleme genommen werden. Die Migration und Migranten als Sündenböcke darzustellen und zur Zielscheibe für Gewalt und Terror zu machen, ist nicht nur perfide und banal, sondern auch eine Heuchelei gegenüber den vielen Migranten, die Deutschland aktiv mitgestalten und das Land in jeder Hinsicht bereichern.

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Es zeigt sich, dass im 21. Jahrhundert, im Jahr 2018, mit denselben Methoden und mit derselben Verfallsemantik Politik wie in den vergangenen Jahrzehnten betrieben wird. Nämlich mit der „Überfremdung“, „Islamisierung“, „steigender Gewalt“, dem Verlust der „deutschen Leitkultur“ und mit Berdrohungsszenarien durch Migranten. Die Banalität, wie aus Hass und Angst Politikum werden, ist inzwischen nicht nur unkreativ, sondern vielmehr eine Heuchelei.

Beispiel für Heuchelei

Dass es auch anders funktioniert, wenn es um Kultur und internationales Prestige Deutschlands geht, zeigte sich bei der Kölner Bewerbung um den Kulturhauptstadt Europa 2010. Die Stadtgeschichte Kölns wurde im Rahmen der Bewerbung als eine Migrationsgeschichte dargestellt. Köln wurde in den Medien als eine vielfältige, weltoffene, multireligiöse und mehrsprachige Stadt präsentiert. Vor allem wurden in den lokalen Medien kulturelle Diversität aufgefunden und gezeigt. Die Stadtteile, die durch die Migranten geprägt und gestaltet wurden, die sonst in den Berichterstattungen als „No-go-areas“, „Ghettos“ und „Parallelgesellschaften“ dargestellt werden, wurden zu Orten der „Vielfalt“ und „Kultur“, auf die man plötzlich so stolz war und die das Gesicht Deutschlands sein sollten.

Nach der Ablehnung der Bewerbung brach auch die Präsentation Kölns als eine Erfolgsgeschichte für Migration ab. Dennoch wird aus dem Beispiel deutlich, dass der öffentliche Diskurs und die öffentliche Meinung beeinflusst werden können. Daraus kann erschlossen werden, aus welcher Perspektive die Migration und Präsenz von Personen mit Migrationshintergrund betrachtet werden können. Doch auf diese Perspektive verzichten deutsche Politiker mit vehementer Abneigung.

Es zeigt sich, dass rechte Gewalt nicht nur auf ostdeutsche Städte reduziert werden kann. Am 24. September 2018 fand der Naziaufmarsch in Dortmund statt, wo Dutzende Rechtsradikale durch Dortmund und extremistische Parolen skandierten. Auch in Dortmund reagierte die Polizei beruhigt und es ein konsequentes Einschreiten war nicht festzustellen. Begründet wurde dies zwar mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung, doch dass die Parolen an Volksverhetzung grenzen, ist beunruhigend. Eine Sensibilität für rechtsextreme und rassistische Parolen müsste vor allem bei Polizeibeamten da sein.

SEK-Beamte geben sich NSU-Namen

So ist der Eklat vor dem Besuch des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan in Deutschland nicht ganz verwunderlich: Zwei Beamte des sächsischen Spezialeinsatzkommandos (SEK) haben vor dem Einsatz in Berlin den Namen des NSU-Terroristen Uwe Böhnhardt als Decknamen verwendet. Uwe Böhnhardt gehört dem Terroristen-Trio, das die Terrorzelle „Nationalistischer Untergrund“ (NSU) gebildet hat. Die NSU-Terroristen ermordeten zwischen den Jahren 2000 und 2006 acht türkische und einen griechischen Gewerbetreibenden sowie eine Polizistin. Petric Kleine, Präsident des sächsischen Landeskriminalamts bezeichnete das Verhalten als „vollständig inakzeptabel, verantwortungslos und an Dummheit kaum zu überbieten“ und entschuldigte sich bei den Angehörigen der NSU-Opfer. Gegen die beiden Beamten sei ein Disziplinarverfahren eingeleitet worden. Die Frage, ob dies eine adäquate Maßnahme für Beamte ist, die mit ihrem Verhalten die Opfer einer Terrorzelle verhöhnen und mit dem Namen eines Terroristen stolzieren, bleibt offen.

Wir müssen uns von der Verfallsemantik und der Ignoranz verabschieden und für den Respekt der Minoritäten gegenüber das Anderssein der anderen Minoritäten oder der Majorität appellieren. Die ethno-kulturelle Verschiedenheit im Sinne einer Politik der Anerkennung muss von den Politikern und der Gesellschaft bejaht und als „Kraftquelle und Bereicherung“ verstanden werden. Alle kulturellen Gruppen müssen prinzipiell als gleichwertig akzeptiert und das Dichotomiedenken muss abgebaut werden. Denn es handelt sich nicht mehr um „Gastarbeiter“, sondern deutsche Bürger, die über jedes Recht verfügen, was ihnen zusteht. Die Spaltung der Gesellschaft durch Politiker wird Deutschland nicht weiterbringen. Denn es ist vor allem für Deutschland ein Armutszeugnis, da es zeigt, dass die vergangenen Jahrzehnte nur eine Stagnation waren – Stagnation der Ignoranz, Heuchelei und des Hasses. Und genau diese sind die Mutter aller Probleme Deutschlands. Aktuell Meinung

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  1. Idgie Gutmensch sagt:

    ich hab mir zum Thema „Mutter aller Probleme“ mal ein paar Gedanken gemacht.
    https://community.utopia.de/foren/thema/die-mutter-aller-probleme/