Demokratie
Der Aufstieg des Autoritarismus – Nächster Halt: Brasilien
Mit Jair Bolsonaro wurde in Brasilien ein Präsident gewählt, dessen demokratisches Fundament zumindest stark in Frage steht. Diese Entwicklung jenseits des Atlantiks hat mit Europa und Deutschland mehr zu tun als wir wahr haben möchten.
Von Roman Lietz Dienstag, 30.10.2018, 12:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 04.11.2018, 18:43 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
„In einer Demokratie kann man eine Wahl verlieren. Man muss aber aufpassen, dass man in einer Wahl nicht eine Demokratie verliert.“ Dieses Meme aus Brasilien kursierte in den letzten Tagen auf Facebook und Twitter und unter diesem Vorzeichen wurde am vergangenen Sonntag in Brasilien gewählt. 55 % der Wählerinnen und Wähler sprachen sich für Jair Bolsonaro aus, 45 % für den Kandidaten der Arbeiterpartei Fernando Haddad.
Der Sieger, Jair Bolsonaro, war in der Vergangenheit mit rechtspopulistischen Positionen aufgefallen. Rassistische und frauenfeindliche Äußerungen sind vom ehemaligen Artillerie-Leutnant ebenso zu vernehmen, wie das Kokettieren mit einer Militärdiktatur, die Abschaffung von Bildungsinitiativen sowie die Aufrüstung privater Haushalte. Durch seine Positionen und seinen Politstil, der aus einer Mischung aus Charisma, anti-elitären Diskursen (obwohl er selbst zur „Elite“ gehört) und Einschüchterung beruht, wird wohl eine neue Form des Autoritarismus Einzug in die viertgrößte Demokratie der Welt erhalten.
Jener Autoritarismus, geschmiedet aus Zensur und Propaganda, der Ruf nach scharfen Gesetzen, einer harten Hand, der Minimierung von Pluralität, häufig in Verbindung mit einem neoliberalen und nationalistischen Kurs, nach dem sich immer mehr Menschen in Ländern auf dem gesamten Erdball sehnen: In Ungarn, in Italien, in der Türkei, in den USA, den Philippinen und auch in Deutschland und sehr vielen anderen Ländern gewinnen die Scharfmacher und Polarisierer Zulauf oder sie sind bereits an der Macht. Was bleibt ist eine zutiefst gespaltene Gesellschaft. So auch in Brasilien, wo fast die Hälfte der Wähler jetzt entsetzt ist während die andere Hälfte feiert und es in den vergangenen Tagen zu gewaltsamen (und tödlichen) Auseinandersetzungen zwischen Anhängern der politischen Lager kam.
Jetzt schon kursiert die Angst unter brasilianischen Lehrerinnen und Lehrern, denn bereits am Tage nach der Wahl forderte mit Ana Caroline Campagnolo die erste Abgeordnete von Bolsonaros Partei (PSL) Schülerinnen und Schüler sowie Studierende auf, ihre Lehrkräfte zu denunzieren. Ein Vorstoß, den wir hierzulande von der NSDAP, der SED und der AFD kennen, mit dem Unterschied, dass die Autoritaristen in Brasilien bereits an der Macht sind. Immerhin: Die Brasilianer in Deutschland stimmten in der Stichwahl mit rund 73 % für Haddad. Wenn Bolsonaro das befürchtete repressive Programm umsetzt, werden wir bald noch viele kritische Brasilianer in Deutschland begrüßen dürfen. Refugees Welcome. Aktuell Meinung
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