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Forscher

Anwerben von Pflegekräften löst Probleme nicht

Migrationsforscher Jochen Oltmer warnt davor, Pflegefachkräfte aus weniger entwickelten Staaten anzuwerben. Der Fortzug von Fachkräften habe dramatische Folgen für die Heimatländer. Dirk Baas

Von Dirk Baas Freitag, 02.11.2018, 5:21 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 05.11.2018, 17:20 Uhr Lesedauer: 2 Minuten  |  

Der Osnabrücker Migrationsforscher Jochen Oltmer warnt davor, vermehrt Pflegefachkräfte aus weniger entwickelten Staaten für die westlichen Industrieländer anzuwerben. Der Wegzug gut ausgebildeter Fachkräfte habe dramatische Folgen für das Gesundheitswesen der Heimatländer, sagte der Historiker dem „Evangelischen Pressedienst“. „Dort drohen die Versorgungssysteme zu versagen, auch mit negativen Folgen für die meist ohnehin schon begrenzten Kapazitäten für die Ausbildung“, betonte der Professor am Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien.

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Die Abwanderung von Fachkräften etwa nach Europa bedeute, dass die ohnehin schlechtere Versorgung in den Herkunftsländern weiter verschlechtert werde. Dieser sogenannte „Brain Drain“, der Verlust an Talenten, geht Oltmer zufolge vielfach auf Kosten der Steuerzahler der ärmeren Gesellschaften, die die Ausbildung von Pflegekräften finanziert haben.

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Oltmer skeptisch

Der Professor sieht den Einsatz von ausländischem Personal zur Lösung der hiesigen Personalprobleme generell kritisch: „Zuwanderung kann einen Beitrag dazu leisten, in einer Übergangsphase, in der es um eine grundsätzliche Neuausrichtung im Pflegebereich geht, ein Stück weit einen Mangel auszugleichen. Er kann auch dazu dienen, Pflegekräfte aus anderen Ländern aus- und fortzubilden. Sehr viel mehr aber nicht.“

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Das Argument der Zuwanderungsbefürworter, Heimatstaaten wie die Philippinen profitierten von hohen Geldüberweisungen durch Familienangehörige aus den europäischen Ländern, lässt Oltmer nicht gelten. Zwar gehe es um Summen in Milliardenhöhe, doch gebe es „keinen Beleg dafür, dass die Rücküberweisungen höher sind als die Ausbildungskosten, die investiert worden sind“.

Gefahren für die Herkunftsländer

Zudem hätten diese Geldflüsse auch negative Konsequenzen: „Dadurch steigt die Inflationsgefahr in den Herkunftsländern.“ Die Überweisungen führten außerdem dazu, dass sich der Staat aus dem Bildungs- und Gesundheitssystem zurückziehe. Denn Angehörige, die diese Gelder erhalten, seien in der Lage, Schul- und Universitätsgebühren, Arzt- und Krankenhausaufenthalte selbst zu bezahlen. „Deshalb können, so denken manche Regierungen, staatliche Leistungen zurückgefahren werden – neue Ungleichheiten sind die Folge.“

Oltmer warb dafür, die Anwerbungen von Fachkräften in anderen Ländern vertraglich zu regeln. „Internationale Standards müssen entwickelt werden, damit die Konkurrenz um Pflegefachkräfte die globale Ungleichheit in der Gesundheitsversorgung nicht weiter anwachsen lässt.“ Vor allem aber müsse der Ausbau der nationalen Ausbildungssysteme weltweit massiv vorangetrieben werden. (epd/mig) Aktuell Wirtschaft

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  1. Ute Plass sagt:

    „Medien berichten viel über Migration, aber die Auswirkungen der Migration auf die Herkunftsländer übersehen sie oft. Das sagt der Wiener Verleger Hannes Hofbauer im Interview mit den NachDenkSeiten. Hofbauer, der sich seit Jahren mit dem Thema Migration beschäftigt, betont im Interview, welche weitreichenden Auswirkungen die Abwanderung vieler Menschen aus ihrer Heimat für diese Herkunftsländer hat und warnt davor, die politischen Ursachen und Hintergründe von Migration auszublenden.“
    https://www.nachdenkseiten.de/?p=46839#more-46839

  2. FrankUnderwood sagt:

    Man darf diese Studie nicht ausschließlich mit Blick auf die Pflege betrachten. Die Erkenntnisse können und müssen wir auf andere Branchen übertragen. Wenn dieses Land Flüchtlinge aufnimmt, haben wir die Pflicht sie weiterzuentwickeln, unabhängig davon ob sie dauerhaft bleiben (Asylstatus) oder nur mittelfristig (subsidiärer Schutztstatus). Ein Sprachkurs ist nur die Grundlage für berufliche Aus-/Weiterbildung.

    Wir müssen besonders den subsidiär geschützten Flüchtlingen von Anfang an verständlich erklären, dass sie irgendwann vor einer Rückkehr in das Heimatland stehen. Darauf müssen wir sie vorbereiten, indem wir sie so gut wie möglich weiterbilden. Billige Parolen wie „Bleiberecht für alle“ von diversen NGO’s sind deshalb abzulehnen, weil sie nicht dabei helfen, dass die Herkunftsländer ihren Rückstand auf die Industrieländer aufholen.
    Wenn wir jedem pauschal ein Bleiberecht einräumen, verschärfen wir den Brain Drain und postkoloniale Abhängigkeiten.

    Aus Sicht der ausbildenden Unternehmen ist es natürlich äußerst problematisch Flüchtlinge auszubilden, wenn man weiß, dass diese Arbeitskraft in ein paar Jahren wieder wegfallen wird. Deshalb sollte sich die Politik überlegen, ob man sich nicht an den Ausbildungskosten noch stärker beteiligt und diese vielleicht sogar vollständig übernimmt.