EU-Studie
Juden in Deutschland am häufigsten angefeindet
Sie zeige sich in der Berliner Öffentlichkeit normalerweise nicht als Jüdin, weil sie Angst habe - so lautet das Zeugnis einer älteren Frau, das in eine Umfrage der EU zu Antisemitismus einging. Ihre Angst ist, das zeigen die Ergebnisse, berechtigt.
Dienstag, 11.12.2018, 5:23 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 08.01.2020, 15:42 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
In Deutschland werden Juden einer Umfrage in zwölf europäischen Ländern zufolge am häufigsten angefeindet. 41 Prozent der Befragten wurden im zurückliegenden Jahr Opfer einer Belästigung, die nach ihrem Urteil gegen sie als Juden gerichtet war, wie aus einer am Montag in Brüssel und Wien vorgestellten Studie der EU-Grundrechteagentur hervorgeht. In allen Ländern zusammen, in denen der Großteil der jüdischen EU-Bevölkerung lebt, lag der durchschnittliche Wert bei 28 Prozent.
Nimmt man die fünf zurückliegenden Jahre, so lag die Zahl für Deutschland sogar bei 52 Prozent und im Schnitt der zwölf EU-Länder bei 39 Prozent. Im europäischen Durchschnitt waren es meist Jüngere (16-29 Jahre), die von Anfeindungen berichteten, nämlich 46 Prozent aus dieser Altersgruppe in den zwölf zurückliegenden Monaten. Insgesamt stieg die Häufigkeit, wenn sie beispielsweise durch eine Kippa als Juden erkennbar waren. In Deutschland bestanden die Anfeindungen den Befragten zufolge meist aus persönlichen Beleidigungen und Drohungen, außerdem aus Gesten und Anstarren sowie bösartigen Kommentaren im Internet.
Auch physische Angriffe
Neben Anfeindungen wurde nach physischen Angriffen gefragt. Davon waren den Angaben zufolge in den fünf Jahren vor der Umfrage drei Prozent betroffen, wenn man den EU-Schnitt betrachtet. In den zwölf Monaten vor der Umfrage waren es zwei Prozent. Landesspezifische Zahlen nennt die Umfrage wegen der insgesamt geringen Prozentzahl hier nicht. Insgesamt hatten an der Studie im Mai und Juni 2018 rund 16.400 Menschen online teilgenommen, die sich selbst als Juden identifizierten, in Deutschland waren es 1.233.
Gefragt wurde auch, ob die Betroffenen sich mit ihren negativen Erfahrungen an die Polizei, an jüdische oder andere Organisationen oder die Medien gewandt hätten. Viele taten dies demnach nicht, insbesondere weil sie der Ansicht waren, dass das nichts ändere. Rund 90 Prozent der Befragten in den zwölf Ländern waren zudem der Meinung, dass Antisemitismus in ihrem Land zunehme. Vor diesem Hintergrund haben viele über Auswanderung nachgedacht: In Deutschland waren es 44 Prozent der Umfrageteilnehmer, gegenüber 25 Prozent bei einer Umfrage im Jahr 2012.
Zentralrat fordert stärkeres Engagement
Der Direktor der Grundrechteagentur, Michael O’Flaherty, nannte es „erschütternd“, dass „Antisemitismus in der EU Jahrzehnte nach dem Holocaust weiter zunimmt“. „Die Mitgliedstaaten müssen diese Entwicklung zur Kenntnis nehmen und sich intensiver bemühen, der Judenfeindlichkeit vorzubeugen und sie zu bekämpfen.“ EU-Vizekommissionschef Frans Timmermans erklärte: „Die jüdische Gemeinschaft muss sich in Europa sicher und zu Hause fühlen. Wenn wir das nicht erreichen können, hört Europa auf, Europa zu sein.“
In Deutschland forderte der Zentralrat der Juden, dass die EU-Staaten „sich viel stärker als bisher im Kampf gegen Antisemitismus engagieren“. „Antisemitismus als Normalfall – das darf Europa als Kontinent der Aufklärung nicht hinnehmen“, erklärte Zentralrats-Präsident Josef Schuster.
Regierung zeigt sich betroffen
Die Bundesregierung zeigte sich betroffen. „Die Nachricht ist erschütternd“, sagte die Sprecherin des Bundesinnenministeriums, Eleonore Petermann. Dass in dieser Wahlperiode ein Beauftragter für jüdisches Leben bestellt wurde, sei Beweis, dass die Bundesregierung bei dieser Entwicklung nicht tatenlos zusehe, ergänzte sie.
Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, sagte dem Boulevardblatt „Bild“: „Vor dem Hintergrund unserer Geschichte sind antisemitische Vorfälle in Deutschland ganz besonders schwerwiegend. Wir müssen alles daran setzen, diese traurige Spitzenreiterposition wieder loszuwerden.“ (epd/mig) Aktuell Gesellschaft Studien
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Mich würde interessieren, mit welchen Methoden solche Studienergebnisse, die nicht als repräsentativ zu betrachten sind, zustande kommen?
https://meedia.de/2018/10/22/repraesentativ-oder-nicht-marktforscher-kritisieren-den-umgang-der-medien-mit-studien/
Laut dem unten genannten Artikel der Süddeutschen Zeitung* leben in Ungarn ca. 100.000 Juden, also etwa so viele wie hier.
Wenn diese laut der vorgelegten EU-Studie weniger angefeindet werden als in Deutschland, muss man sich doch fragen, ob der Antisemitismus vornehmlich aus dem rechten Lager kommt.
*Quelle: https://www.sueddeutsche.de/kultur/reportage-bitte-kommt-zurueck-1.2668186-2