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Studie

Je länger junge Migranten in Österreich leben, desto mehr stimmen sie europäischen Werten zu

Wie stehen Jugendliche zu demokratischen Werten, Traditionen, Religion und Familienwerten? Wie beurteilen sie Menschen, die anders denken und handeln. Eine Studie in Österreich ist diesen und weiteren Fragen auf den Grund gegangen. Soziologe Zoltan Peter fasst die Ergebnisse zusammen.

Von Freitag, 18.01.2019, 5:22 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 08.01.2020, 15:42 Uhr Lesedauer: 5 Minuten  |  

Wissenschaftliche Auseinandersetzungen darüber, was Toleranz und Werte sind und was sie bedeuten, bringen heutzutage wenig, wenn es dabei nicht zu einem öffentlichen Diskurs kommt. In der aktuellen empirischen Studie „Integrationsthema Toleranz“ wurden rund 1000 Jugendliche im Alter zwischen 15 und 25 Jahren empirisch untersucht. Mit 71 von ihnen wurden vertiefende Interviews geführt. Befragt wurden Jugendliche, die in einem Drittstaat geboren wurden und ihren Lebensmittelpunkt in Österreich haben.

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In der Studie ging es im Prinzip um die Ermittlung der Offenheit und Toleranz ihrer neuen Heimat gegenüber – mit dem Ziel, stichhaltige Erkenntnisse zu gewinnen, damit wir unsere Meinung über Flüchtlinge und Einwanderer nicht bloß aus dem Arsenal diverser Stereotypen und nicht aus dem Fundus unserer selektiven, subjektiven Erfahrungen holen müssen. Wobei der Verfasser selbst davon ausgeht, dass die Entscheidung darüber, was in der Gesellschaft als wertvoll und tolerierbar gilt, letztlich in öffentlichen Austauschprozessen geschieht oder geschehen sollte und nicht in diversen Gremien.

Christen und Religionslose sind tendenziell proeuropäischer

In diesem Sinne werden hier einige der bisherigen gesellschaftsrelevanten Ergebnisse zusammengefasst. Die Mehrheit der untersuchten Jugendlichen ist jedenfalls – so die erste Erkenntnis – proeuropäisch eingestellt. Zum Beispiel sind rund 60 Prozent der befragten Jugendlichen im Prinzip demokratisch gesinnt, und rund 83 Prozent ist die Freiheit, die es in Österreich gibt, persönlich sehr wichtig. Darüber hinaus ist zu erwähnen, dass aus großstädtischem Milieu stammende Jugendliche stichhaltig proeuropäischer sind als jene, die aus Dörfern stammen. Personen mit langem Aufenthalt in Österreich sind häufiger proeuropäisch als jene mit kurzem Aufenthalt.

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Auffällig stark – will heißen: mit Begeisterung – werden europäische Werthaltungen von Jugendlichen bejaht, die keiner Religion oder wenn, dann dem Christentum angehören. Dabei spielt weder die Konfession noch die der Religion für das eigene Leben beigemessene Wichtigkeit eine statistisch relevante Rolle. Der relevante Unterschied für eine Ablehnung westlicher Werte wird vielmehr durch Vermengungen des Glaubens mit diversen Vorurteilen und Ideologien bestimmt. Die Gesamtheit der Einstellungen, also quasi das Gesamtpaket, ist ausschlaggebend dafür, wie offen ein junger Mensch auf seine neue Lebensumgebung zugeht.

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Es gibt also gute Gründe anzunehmen, dass bei etwa 20 bis 30 Prozent der befragten Jugendlichen teils wesentlicher und teils weniger vordringlicher Nachhol- und Unterstützungsbedarf besteht sowohl in Bezug auf die Offenheit der Gesellschaft gegenüber, in der sie nun leben, als auch in Bezug auf Toleranz und Konfliktbewältigung im Allgemeinen. Einige Zahlen zu dem sogenannten Problembereich wurden bereits veröffentlicht. Dabei geht es hauptsächlich um überzogene kollektive Identitäten, konservative Rollenbilder, Antisemitismus und ideologisch gefärbte, ausgrenzende religiöse Einstellungen. Es handelt sich um Merkmale, die substanziell dazu beitragen, dass jene Jugendliche liberale Werte viel schwerer akzeptieren können als die restlichen Befragten (für rund 26 Prozent sind die abgefragten Aussagen nur teilweise stimmig).

Wichtige Rolle von Bildung und Familie

Natürlich: Gesellschaftliche Umstände im Herkunftsland, der Krieg selbst und die damit zusammenhängende mangelhafte Ausbildung, aber auch frühkindliche Indoktrinierungen institutionellen und familiären Ursprungs sind dabei als wesentliche Ursachen für verschlossene, dissonante Einstellungen zu nennen.

Die in Österreich verbrachten Jahre haben in der Regel einen prägenden Effekt auf die Einstellungen der Jugendlichen. Je länger der Aufenthalt in Österreich, desto höher auch die Zustimmung zu europäischen Wertehaltungen und desto geringer die Vorurteile. Freund- und Partnerschaften mit der autochthonen Bevölkerung sowie die berufliche oder schulische Umgebung wirken sich auf den Abbau von Vorurteilen und die Annahme europäischer Wertemuster eindeutig positiv aus.

Es zeigt sich auch durchgehend, dass Bildung (vor allem die nach der Einwanderung absolvierte) äußerst relevant ist. Ein weiter wichtiger Faktor, mit dem sich manche problematischen Einstellungen der Jugendlichen zum Teil erklären lassen, ist der in den Interviews thematisierte und erfasste Erziehungsstil der Eltern. Verorten Jugendliche die Rolle der Frau häufiger im Haushalt und wollen sie ihnen nicht die gleichen Rechte wie Männern gewähren, so hängt dies – wie überall auf der Welt – auch mit einem geringeren Bildungsniveau und pädagogisch ungenügendem Erziehungsstil der Eltern zusammen.


Aber es gibt auch viele andere Faktoren. Bei den konservativeren Jugendlichen mangelt es merkwürdigerweise gehäuft auch an Freunden und Kontakten. Interessant ist obendrein, dass Tendenzen zu einer fundamentalistischen Glaubensauslegung verstärkt bei Jugendlichen auftreten, die sich als unglücklich bezeichnen. Wobei Lebenszufriedenheit (ausgedrückt zum Beispiel durch Glück oder Vertrauen in Mitmenschen) überhaupt zu wesentlichen Prädiktoren für Toleranz zählt. Interessant ist auch, dass Jugendliche, die zumindest ein wenig Interesse an Kunst und Kultur verspüren, weltoffener sind.

Auswanderer und Daheimgebliebene insbesondere eines repressiven Landes sind in vielerlei Hinsicht unterschiedlich. Auswanderer – und scheinbar auch Flüchtlinge – repräsentieren nicht oder nicht nur die Kultur und das kollektive Denkmuster ihres Landes, wie fälschlicherweise oft angenommen wird, sondern sie vertreten diverse Formen einer durchaus spezifischen Eigenkultur, die sich der Mikrokosmos Familie mitten in einem autoritären System mühevoll erarbeitet hat.

Aus den Interviews geht vor, dass gerade der Familie in allen, aber besonders in autoritären Systemen eine besondere Rolle zufällt. Sie ist die letzte Instanz, die das Eindringen repressiver Muster des Machtapparats brechen und für die Kinder so übersetzen kann, dass diese möglichst unbeschwert aufwachsen. Dort, wo eine solche Übersetzungsleistung der Eltern gegeben war, hatten Jugendliche bereits am Tag der Ankunft nach Europa deutlich andere Voraussetzungen als jene, die das für die Selbstentfaltung völlig kontraproduktive Autoritäre, Dogmatische ungefiltert serviert bekommen und sich angeeignet hatten. Es kommt nicht von ungefähr, dass Personen, die angeben, eine unbeschwerte Kindheit gehabt zu haben, liberale Werte eher bevorzugen. Aktuell Gesellschaft Studien

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