Studie
Deutsche schätzen Zahl der Muslime in Deutschland auf 17 Millionen
Wahrnehmung und Realität klaffen in Deutschland weit auseinander. Wie eine aktuelle Studie herausgefunden hat, leben in der Wahrnehmung über 24 Millionen Migranten und 17 Millionen Muslime in Deutschland. Experten zufolge sind das Folgen polarisierender Debatten.
Freitag, 18.01.2019, 5:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 08.01.2020, 15:42 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Dass die eigene Wahrnehmung oftmals nicht mit der Realität übereinstimmt, belegt einmal mehr die aktuelle Studie „Perils of Perception“ des Markt- und Meinungsforschungsinstituts Ipsos. In 37 Ländern schätzten knapp 30.000 Personen aktuelle Zahlen zur Bevölkerungsstruktur und gesellschaftsrelevanten Themen. Auch hierzulande werden viele soziale Realitäten von den Bürgern vollkommen falsch eingeschätzt. Verglichen mit anderen Ländern irren sich die Deutschen sogar überdurchschnittlich oft.
Migrantenanteil in Deutschland zu hoch geschätzt
So wird der Anteil von Einwanderern an der Gesamtbevölkerung in Deutschland deutlich zu hoch eingeschätzt. Während der tatsächliche Wert 15 Prozent beträgt, liegt die durchschnittliche Schätzung der Befragten doppelt so hoch (30%).
In einigen anderen Ländern ist die Diskrepanz zwischen subjektiver Wahrnehmung und realen Zahlen in Sachen Migration sogar noch extremer, insbesondere in Lateinamerika. Ein Extrembeispiel: Obwohl Kolumbien laut offizieller Statistik eine Einwandererquote von lediglich 0,3 Prozent hat, wird dennoch vermutet, dass mehr als jeder dritte Einwohner Kolumbiens (34%) Migrant ist. Ähnlich gravierende Fehlwahrnehmungen zeigen sich in Peru, Brasilien, Argentinien und Chile.
Anteil an Muslimen stark überschätzt
Während sich also die Schätzungsfehler der Deutschen bei nicht weiter spezifizierten Einwanderern noch verhältnismäßig in Grenzen halten, sieht es bei Menschen muslimischen Glaubens schon anders aus. In der Wahrnehmung der Befragten ist jeder fünfte Bundesbürger (21%) Muslim. Der tatsächliche Anteil an Muslimen an der Gesamtbevölkerung entspricht mit lediglich 4 Prozent nicht einmal einem Fünftel des Schätzwertes. Nur in 7 von insgesamt 37 untersuchten Ländern irren sich die Menschen in dieser Frage noch stärker.
Arbeitslosigkeit und Wirtschaft
Selbst ein in der Öffentlichkeit verhältnismäßig breit diskutiertes Thema wie die Arbeitslosenquote wird hierzulande fünf Mal zu hoch eingeschätzt. Schenkt man den Schätzungen der Befragten Glauben, so würde sich aktuell jeder fünfte Deutsche im erwerbsfähigen Alter (20%) auf der Suche nach Arbeit befinden. In Wahrheit ist derzeit nicht einmal jeder zwanzigste Bundesbürger (4%) arbeitslos.
Deutlich optimistischer wird die hiesige Wirtschaftskraft gesehen. Deutschland wird im Durchschnitt auf Position 9 unter den 200 größten Volkswirtschaften der Welt (nach BIP) eingestuft. Tatsächlich hat die Bundesrepublik aber sogar das viert größte Bruttoinlandsprodukt der Welt.
Deutsche im unteren Drittel des »Irrtumsindex«
Berücksichtigt man alle Fragestellungen der Studie, so verschätzten sich die Deutschen deutlich häufiger als die Bürger vieler anderer Nationen. Unter den insgesamt 37 abgefragten Ländern belegt Deutschland lediglich den 24. Platz, wenn es um die beste Schätzung geht.
Der Wirklichkeit am nächsten kamen die Befragten aus Hongkong, Neuseeland und Schweden, der unrühmliche Preis für die Bevölkerung mit der am wenigsten zutreffenden Wahrnehmung geht an Thailand, dicht gefolgt von Mexiko und der Türkei.
Polarisierende öffentliche Debatten
Dr. Robert Grimm, Director Ipsos Public Affairs, deutet die Studiendaten nicht zuletzt als Folge zunehmend polarisierender öffentlicher Debatten: „Gerade bei den politisch brisanten Themen wie Migration und Muslime in Deutschland liegen Wahrnehmung und Realität weit auseinander. Diese Themen werden häufig in den Medien und in der Politik diskutiert.“
Die Diskurse seien dabei überwiegend negativ konstruiert, es werde polarisierend und emotional über Kontrolle, Kriminalität und Betrug debattiert. „In der menschlichen Wahrnehmung verstärken sich damit soziale Phänomene zu überdimensionalen Problemen mit dringendem politischen Handlungsbedarf“, so der Experte. (mig) Gesellschaft Leitartikel Studien
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Man sollte sich schon die Mühe machen, in verläßlichen Statistiken nachzuschauen, um solche Irrtümer zu vermeiden. Auch bei den Muslimen in den USA erwacht häufig der Eindruck, es seien mehr, vermutlich, weil sie aufgrund ihrer gesellschaftlichen Situation (höherer Anteil von Akademikern als bei den Muslimen in Europa) mehr von sich reden machen. Laut Statistik stellen sie jedoch nicht einmal 2 Prozent der Gesamtbevölkerung, wogegen Australien über 2 Prozent hat. Das Land in Westeuropa mit dem höchsten Anteil an Muslimen ist Frankreich mit ungefähr 8 bis 9 Prozent.
Da bei Volkszählungen die Religionsangehörigkeit nicht angegeben werden muß, liegt die tatsächliche Zahl der Muslime, insbesondere der Konvertiten, weitgehend im Dunkel. Die Statistiken gehen deswegen von der Angabe des Herkunftslandes aus, und so werden auch Aleviten und Atheisten aus der Türkei als Muslime gezählt. In der BRD sind die Aleviten jedoch als eigene Religionsgemeinschaft anerkannt, und das bedeutet ungefähr 600.000 Muslime weniger in der Statistik.
Nachdem sich die Deutschen an die Anwesenheit der türkischen Einwanderer und deren größtenteils eingebürgerte Nachkommen in zweiter und dritter Generation gewöhnt haben, bricht bei vielen von ihnen jetzt wegen der zahlenmäßig geringeren Flüchtlinge Panik aus und sie faseln von einer angeblichen „Islamisierung“. Die wirkliche kulturelle und sprachliche Verfremdung schwappt jedoch in einem gewaltigen Tsunami von Anglizismen und Amerikanismen über den Atlantik herüber und kommt nicht durch ein paar, meist integrationswillige Flüchtlinge. Selbst die bisher in Deutschland ansässigen Muslime mit Migrationshintergrund haben kaum Einfluß auf das deutsche Kulturleben und bleiben mit ihrer Kultur meist unter sich.