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Ulla Jelpke (Die Linke), innenpolitische Sprecherin © linksfraktion.de / bearb. MiGAZIN

Ehrlichkeit statt Rechenkunst

Bamf schreibt sich Asylstatistik schön

Heute präsentieren Bundesinnenminister Horst Seehofer und Bamf-Präsident Hans-Eckhard Sommer die Asylbilanz. Laut Innenpolitikerin Ulla Jelpke sind die Zahlen "geschönt". Sie fordert Ehrlichkeit statt Rechenkunst. Ein Gastbeitrag.

Von Mittwoch, 23.01.2019, 5:23 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 24.01.2019, 15:07 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) rechnet sich die Statistiken zu Asylklagen und Asylverfahrensdauern schön und die Schutzquote schlecht. Wenn sich die Behörde tatsächlich neu aufstellen möchte, sollte sie ehrlich Rechenschaft über das eigene Handeln ablegen und zukünftig auf trickreiche Rechenkünste verzichten.

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Bei der Gesamtschutzquote wertet das Bamf alle sonstigen Verfahrenserledigungen statistisch so, als würde es sich um Ablehnungen handeln. Das betrifft etwa 30 Prozent aller Entscheidungen. Zu 75 Prozent handelt es sich dabei um sogenannte Dublin-Fälle, bei denen ein anderer EU-Mitgliedsstaat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist, weshalb keine inhaltliche Prüfung des Asylgesuchs durch das Bamf stattfindet. Möchte man also wissen, wie viele Asylgesuche vom Bamf  inhaltlich als begründet angesehen werden, dann muss man alle sonstigen Entscheidungen aus der Berechnung ausklammern.

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Das Statistische Amt der Europäischen Union verwendet deshalb eine so genannte bereinigte Schutzquote. Die bereinigte Gesamtschutzquote lag 2018 (bis einschließlich November) bei 49,8 Prozent. Das bedeutet, dass jeder zweite vom Bamf inhaltlich geprüfte Asylantrag als begründet angesehen wurde und zur Erteilung eines Schutzstatus führte. Die vom Bamf verbreitete unbereinigte Quote betrug demgegenüber für 2018 (bis einschließlich November) nur 34,7 Prozent. Indem das Bamf nur die unbereinigte Schutzquote veröffentlicht, vermittelt es ein falsches Bild von seiner tatsächlichen rechtlichen Bewertung der Fluchtmotive.

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Korrekturen durch Gerichte

Zu den vom Bamf erteilten Anerkennungen kommen Korrekturen und Anerkennungen durch die Gerichte hinzu. Auch hier machen sonstige Verfahrenserledigungen mit etwa 45 Prozent einen hohen Anteil aus. Dabei geht es z.B. um die Zusammenlegung mehrerer Einzelverfahren von Familienangehörigen zu einem gemeinsamen Verfahren, oder Asylsuchende verfolgen ihr Klageverfahren aus unterschiedlichen Gründen nicht weiter – das bedeutet aber nicht, dass die Bamf-Entscheidung durch die Gerichte bestätigt worden wäre.

Auch wenn Gerichte einen Dublin-Bescheid des Bamf aufheben und verfügen, dass das Asylverfahren in Deutschland durchzuführen ist, oder wenn das Bamf den eigenen Bescheid im Sinne der Betroffenen korrigiert und einen Schutzstatus erteilt, wird dies als sonstige Erledigung gezählt. Eine tatsachengemäße Bewertung der Rechtsprechung erfordert somit, diese formellen Verfahrensausgänge außer Betracht zu lassen. Dann ergibt sich, dass fast ein Drittel der inhaltlich überprüften Bescheide des Bamf durch die Gerichte korrigiert wird (31,7 Prozent bis Ende September 2018). Das Bamf hingegen erklärt, dieser Anteil habe im ersten Halbjahr 2018 nur 17,4 Prozent betragen, sonstige Erledigungen gelten dabei – irreführenderweise – wie eine Bestätigung der eigenen Bescheide.

Bamf ändert Berechnungsmethode

Schließlich rühmt sich das Bamf einer angeblich dreimonatigen Asylverfahrensdauer. Auch dieser Wert ist geschönt, denn in diese Berechnung gehen nur jene Verfahren ein, welche weniger als ein Jahr dauern – längere Verfahren bleiben außer Betracht. Die durchschnittliche Dauer aller im zweiten Quartal 2018 abgeschlossenen Asylverfahren betrug 7,3 Monate, wobei in dieser Zahl auch relativ schnelle Dublin-Verfahren (1,5 Monate) enthalten sind. In der Öffentlichkeit arbeiten Bamf und Bundesregierung jedoch lieber mit der Dauer so genannter „Neuverfahren“. Ursprünglich waren damit Asylverfahren ab dem 1.1.2017 gemeint, weil von da an eine Bearbeitung „im Regelbetrieb“ erfolgt sei (BT-Drs. 18/13472, Antwort zu Frage 10/11).

Als jedoch auch dieser Wert kontinuierlich und im zweiten Quartal 2018 auf über drei Monate anstieg, änderte das Bamf die Berechnungsmethode erneut, um auf das politisch gewünschte Ergebnis einer dreimonatigen Verfahrensdauer kommen zu können: Als „Neuverfahren“ gelten jetzt nur noch jene Asylverfahren, die in den letzten zwölf Monaten begonnen und abgeschlossen wurden. Dabei hatte die Bundesregierung auf Anfrage ausdrücklich erklärt, sie wolle am Stichtag des 1.1.2017 für die Verfahrensdauer bei Neuverfahren festhalten (BT-Drs. 19/1931, Antwort zu Frage 24).

Fair braucht Zeit

Faire Asylprüfungen brauchen im Zweifelsfall ihre Zeit, das lässt sich nicht vermeiden. Statistische Tricksereien jedoch helfen nicht weiter!

Dem Bamf täte es gut, wenn es sich auf die Aus- und Fortbildung seiner Mitarbeiter und die Durchführung fairer Asylverfahren konzentrieren könnte. Doch dem steht entgegen, dass das Bamf gegenwärtig zu hunderttausenden aufwändigen Widerrufsprüfungen verpflichtet wird, die in 99 Prozent der Fälle den schon gewährten Schutzstatus bestätigen. Die Arbeitsbelastung der Bamf-Mitarbeiter wird sogar noch weiter ansteigen, wenn anerkannte Flüchtlinge für erneute Befragungen hunderttausendfach ins Bamf geladen werden, wie es nach einer kürzlich vom Bundestag beschlossenen Gesetzesänderung droht.

Umsteuern!

Schließlich sind die hohen Erfolgsquoten von Geflüchteten bei den Gerichten – fast ein Drittel im Allgemeinen, sogar fast 60 Prozent bei afghanischen Flüchtlingen – ein eindeutiger Beleg für qualitativ mangelhafte und fehlerhafte Bescheide des Bamf, die nicht zuletzt Folge politischer Einflussnahmen sind.

Es bedarf dringend eines Umsteuerns im Bundesinnenministerium und im Bamf: Das Leitbild des Bamf „Den Menschen im Blick“ darf nicht nur auf dem Papier gelten. Aktuell Meinung

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