Gemeinsam
Junge Juden, Christen und Muslime gedenken in Auschwitz der Opfer
Junge Menschen unterschiedlicher Religion haben im ehemaligen KZ Auschwitz die Opfer gewürdigt. Die Lehre aus Auschwitz sehen die Juden, Christen und Muslime darin, auch heute jeder Form von Ausgrenzung früh entgegen zu treten.
Von Holger Spierig Montag, 28.01.2019, 5:21 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 29.01.2019, 16:15 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Der Boden ist noch mit Schnee bedeckt. Zwischen den Haftblöcken aus rotem Ziegelstein im ehemaligen Konzentrationslager stehen christliche, muslimische und jüdische Jugendliche und beten gemeinsam. „Im Namen Allahs, des Allerbarmers, des Barmherzigen“, beginnt die 20-jährige Muslima Aya. Als ihre Stimme zu stocken beginnt, legt der jüdische Nachbar mit einer Kippa tröstend seinen Arm auf die Schulter der jungen Frau mit dem Kopftuch.
Im ehemaligen Konzentrationslager Auschwitz in Polen bei Krakau würdigen Juden, Christen und Muslime die Opfer – gemeinsam mit Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU). Das Gedenken am internationalen Holocaust-Gedenktag ist der Höhepunkt der viertägigen Reise der 24 jungen Juden, Christen und Muslime aus Bielefeld, Köln, Unna und Essen. Eingeladen dazu hatten die Union progressiver Juden und die nordrhein-westfälische Staatskanzlei.
An der „schwarzen Wand“
Zuvor hatten eine Muslima und ein Christ der Gruppe einen Kranz vor die Gedenkstätte der „schwarzen Wand“ gestellt. Laschet verharrte schweigend vor dem Kranz gemeinsam mit jüdischen Vertretern sowie Integrationsstaatssekretärin Serap Güler (CDU) und der neuen NRW-Antisemitismusbeauftragten Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP). An der „schwarzen Wand“ hatten sich KZ-Häftlinge aufstellen müssen, bevor sie von deutschen Soldaten erschossen wurden.
Bei dem gemeinsamen Rundgang zuvor waren Räume zu sehen mit Bergen von geschorenem Haar von vergasten Juden oder Kinderschuhen ermordeter Kinder. Unter den jungen Menschen zwischen 16 und 24 Jahren gibt es immer wieder Tränen. Sie nehmen sich in den Arm und spenden untereinander Trost. Auch Laschet ist sichtlich bewegt, etwa als er aus dem Zellentrakt kommt, in dem Insassen auf ihren Tod warten mussten.
Auschwitz eine Verpflichtung
An diesem Ort, wo Juden, Polen, Sinti und Roma zu Tausenden ermordet wurden, hätten junge Menschen dreier Weltreligionen zusammen gebetet, würdigt Laschet. Die Botschaft von einem solchen Ort müsse sein, dass sich so etwas nie wieder wiederholen dürfe. Antisemitismus und Ausgrenzung müssten früh und entschlossen bekämpft werden.
Auch die jungen Juden, Christen und Muslime sind überzeugt davon, dass Auschwitz eine Verpflichtung sei, nicht nur für die älteren Generationen. Begonnen habe der Holocaust nicht erst durch die Vernichtung der Juden, sagt der 19-jährige jüdische Student Moritz aus Bielefeld, sondern durch vorherige Stigmatisierung und Ausgrenzung. Wichtig sei daher Wachsamkeit, wenn Menschengruppen gegeneinander ausgespielt würden.
Es reicht nicht, passiv zu verurteilen
Hätten die Menschen aus Auschwitz gelernt, dürften „es so etwas wie Ausgrenzung und Rassismus nicht mehr geben“, erklärt die muslimische Studentin Aya. „Es reicht nicht, passiv etwas zu verurteilen, sondern man muss sich aktiv gegen Ungerechtigkeiten einsetzen“, ist die 20-Jährige überzeugt. Auch wenn Diskriminierung und Ausgrenzung einen nicht selbst beträfen, gingen sie jeden an. Jeder müsse aktiv dagegen angehen.
Für die Jüdin Sima ist es beunruhigend, dass sich etwa beim Thema Flüchtlingspolitik auch immer wieder Fremdenhass zeige oder Neonazis auf Demonstrationen den Völkermord relativierten. Zugleich findet sie es aber hoffnungsvoll, dass es mehr Menschen gibt, die dagegen aktiv werden, wie sie erzählt.
Wir können zusammenleben
„Unsere Reise macht deutlich, dass Juden, Christen und Muslime zusammenleben können“, sagt der Vorsitzende der Union progressiver Juden in Deutschland, Walter Homolka. „Wir wünschen uns, dass wir uns über die Vergangenheit Deutschlands konkret vor einem solchen Ort auseinandersetzen – in der Hoffnung, dass wir an einer besseren, friedlicheren Welt bauen können“, erklärt die Generalsekretärin der Union progressiver Juden in Deutschland, Irith Michelsohn.
Die gemeinsamen Gottesdienste und das gemeinsam Gedenken sind für die 20-jährige Jüdin Sima wichtig gewesen. „Für mich war es sehr bewegend, als Jüdin, als wir alle zusammen den Gottesdienst gemacht haben.“ Hitler habe alle Juden vernichten wollen. Juden, Christen und Muslime stünden an diesem Ort dafür, dass die Mission Hitlers gescheitert sei. (epd/mig) Aktuell Feuilleton
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Sehr bewegend, Mahnung und Auftrag der jungen Menschen, dass wir
alle Verantwortung dafür tragen, dass Menschheitsverbrechen sich nicht wiederholen und wir nicht zulassen dürfen, dass „.. Menschengruppen gegeneinander ausgespielt“ werden.“