Kein Verbrechen, keine Verpflichtung, freiwillig
Unrechtmäßig erworbene Artefakte aus Kolonialzeit sollen zurück
Kulturgüter aus kolonialem Kontext sollen an die Herkunftsländer zurückgegeben werden. Darauf haben sich die Kulturminister von Bund und Ländern verständigt. Eine Rückgabeverpflichtung wurde jedoch nicht formuliert.
Dienstag, 26.03.2019, 5:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 31.03.2019, 19:04 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Bund und Länder haben sich auf dem Umgang mit Sammlungsgut aus kolonialem Erbe verständigt. Vorrang bei der Aufarbeitung des Sammlungsgutes soll den menschlichen Überresten aus kolonialen Kontexten zukommen, heißt es in einer Mitte März in Berlin verabschiedeten gemeinsamen Eckpunktepapier der Kulturminister. Bei den Kulturgütern sei angesichts der hohen Zahl eine Priorisierung notwendig. Besonders relevant seien aufgrund ihrer Erwerbungsumstände diejenigen Kulturgüter, die im Rahmen formaler Kolonialherrschaften des Deutschen Reiches aus ihren Gesellschaften entfernt und nach Deutschland verbracht wurden, sowie Kulturgüter aus anderen Kolonialherrschaften, für die Rückgabeersuchen vorliegen.
Die Einrichtungen in Deutschland, welche Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten bewahren, werden aufgefordert, ihre Bestände zu erforschen. Rückführungsersuchen von Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten sollen zeitnah bearbeitet werden. Gleichzeitig werden Museen und andere Sammlungseinrichtungen aufgerufen, selbstständig und proaktiv Sammlungsgut zu identifizieren, für das eine Rückführung infrage kommt, auch ohne dass ein Rückführungsersuchen vorliegt.
Brosda: Papier ist Auftakt einer Diskussion
Das gemeinsame Eckepunktepapier ist nach Worten von Hamburgs Kulturminister Carsten Brosda (SPD) der Auftakt einer Diskussion, die auch mit den Herkunftsstaaten und deren Zivilgesellschaften weitergeführt werden soll. „Das was jetzt schon geht, soll getan werden, und parallel soll es weitere Klärungsprozesse geben“, sagte Brosda. Die Erklärung schaffe politische Sicherheit und sei ein „deutliches Bekenntnis des Staates“, mit dem Thema transparent umzugehen.
Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) sprach von einer Anerkennung der historischen Verantwortung Deutschlands für sein koloniales Erbe. Mit den Herkunftsstaaten und -gesellschaften werde ein Dialog der Partnerschaft und Würde angestrebt. Nach Angaben von Brosda muss man in den deutschen Sammlungen von mehreren Millionen Objekten ausgehen, die „jetzt angesehen werden müssen“, um ihre Herkunft und ihren Erwerb zu klären. Allein das Ethnografische Museum im Hamburg habe mehr als eine Viertelmillion dieser Exponate in seinen Beständen.
Kolonialismus kein Verbrechen?
Mit diesem Ergebnis unzufrieden ist die Initiative „Berlin Postkolonial“. Sie kritisiert, dass Bund, Länder und Kommunen zwar zugeben, dass im Kolonialismus Unrecht geschehen sei. Sie lehnten es aber ab, ihn so wie die NS-Terrorherrschaft oder die SED-Diktatur als ein Unrechtssystem anzuerkennen. „Man will nun zwar Gebeine und Körperteile Kolonisierter, die zu Tausenden für rassistische Forschungen nach Deutschland verschleppt wurden, zurückgeben, aber ein rechtlicher Anspruch auf Restitutionen soll den Nachkommen nicht eingeräumt werden“, erklärte die Initiative.
Das Gleiche gelte für die Kulturschätze der Kolonisierten – darunter zahlreiche Königsthrone, Zepter, Sakralfiguren, Ritualtrommeln – die in den Depots deutscher und europäischer Sammlungen liegen. „Hier wollen die Museen nun jeden Fall genau prüfen, um dann selbst darüber zu entscheiden, welches Objekt zurückgegeben werden soll und welches nicht“, kritisiert die Initiative.
Mnyaka Sururu Mboro, Sprecher von Berlin Postkolonial, erklärte: “Solange wir zusahen, wie weiße Wissenschaftler an den Gebeinen unserer Ahnen forschten, solange haben sie das getan. Solange wir schweigen, wenn sie unsere Heiligtümer in ihren Museen ausstellen, werden sie dies tun. Und solange wir nicht selbst für uns sprechen dürfen, werden sie leugnen, dass der Kolonialismus ein Verbrechen war.“ (epd/mig) Feuilleton Leitartikel
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