Nebenan
Vaterlandser unter sich
Die AfD als linke Partei – wer hätte das bei all dem Gejaule über das „Linksgrünversiffte” für möglich gehalten? Hoch! Die! Antinationale! Solidarität! Eine Querfront für die Emanzipation der Völker, der Frauen, aller Menschen! Wer konnte davon noch träumen?
Von Sven Bensmann Dienstag, 09.04.2019, 5:22 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 11.04.2019, 17:44 Uhr Lesedauer: 4 Minuten |
„Die AfD in freiem Fall“ fantasierte dieser Tage die „taz“ herbei, angesichts angekündigter Parteiaustritte in den Reihen der Partei rechts von Seehofer und Söder. Als ob. Die AfD hat den Rechtsextremismus in Deutschland hoffähig gemacht: Die AfD ist eine nicht nur im Kern rechtsextreme Partei. Wenn nun einzelne, wie der bayrische Co-Fraktionsvorsitzende Plenk, es satthaben, als „bürgerliches Aushängeschild“ dieser Partei zu agieren, dann lügen sich diese selbst in die Tasche. Dann zeigt sich in seiner Ankündigung, nahtlos in der CSU weiterzumachen, nur, dass auch die CSU im Kern verrottet ist und sich dem Rechtsextremismus geöffnet hat.
Dass die AfD implodiert, wenn selbsternannte „bürgerliche Politiker“ die Partei verlassen, ist nichts als ein politischer Fiebertraum. Die AfD und ihre Wählerschaft haben sich längst so weit radikalisiert, dass sie sogar schon die US-republikanischen Spinnereien eines von China erfundenen Klimawandels adoptiert haben, dass es schlicht an ihr abtropft, wenn sich herausstellt, dass unter ihnen ein „Nationalist” ist, über den der Kreml „vollständige Kontrolle” zu haben proklamiert.
Die feine Patina einer politischen Repräsentanz, die noch in der Lage ist, sich selbst einzureden, sie sei „bürgerlich” kann jedenfalls nicht verbergen, dass die Wählerschaft von dieser Illusion längst abgelassen hat.
Dass Plenk, Swoboda und Konsorten – denen in Zeiten eines Bernd Lucke dieser zu links war, so dass sie mit Frauke Petry fraternisierten, nur um schließlich auf Seiten des Volkslehrers Bernd Höcke den Abschuss Frauke Petrys zu betreiben, weil diese mit ihrem Hang zu Resten von vernünftigem Menschenverstand mittlerweile auch zu links war – mit ihrem Austritt aus der Partei nun signifikante Teile der AfD mit sich reißen könnten, ist angesichts der großen politischen Erfolge Luckes und Petrys mit deren neuen Parteien jedenfalls unwahrscheinlich.
Dass die AfD nun bereits mehrere Abgänge aus den höheren Führungsebenen verkraftet hat, weil sich diese Akteure vom wachsenden Rechtsradikalismus erdrückt sahen, beweist nur: Die AfD ist eine rechtsextreme Partei. Die Wählerschaft der AfD ist rechtsextrem. Wenn Politiker, die sich selbst nicht als rechtsextrem verstehen, die Partei verlassen und der Partei Rechtsextremismus vorwerfen, schadet das der Partei nicht, weil sie und ihre Wählerschaft rechtsextrem sind.
Dies nicht zu sehen, ist andererseits auch Teil einer existenziellen Lebenslüge der AfD. So ließ der bildungspolitische Sprecher der AfD-Fraktion – ja, sowas haben die wirklich – ausrichten: „Dass [Plenk] gesagt hat, die ganze Fraktion sei rechts [sic!], empfinde ich als extrem beleidigend. Diese pauschale Verunglimpfung ist unter der Gürtellinie.”
Die AfD als linke Partei – wer hätte das bei all dem Gejaule über das „Linksgrünversiffte” für möglich gehalten? Hoch! Die! Antinationale! Solidarität! Eine Querfront für die Emanzipation der Völker, der Frauen, aller Menschen! Wer konnte davon noch träumen?
Auch vieles andere ergibt so natürlich ganz plötzlich neuen Sinn: Höckes Geseiere vom „Mahnmal der Schande” in der Hauptstadt? Nicht mehr als ein Bedauern der Verbrechen der Nazis, ein: „Das hätte nie passieren dürfen”. Die erinnerungspolitische Wende um 180°? Womöglich ein Aufruf, Renten für Naziverbrecher endlich abzuschaffen, ein Weckruf, Naziverbrechen nicht mehr totzuschweigen, sondern Opfer des Holocaust ernsthaft zu entschädigen, ein Ruf zur Modernisierung des deutschen Rechts, dass in Teilen noch immer auf dem Recht des Dritten Reichs aufbaut, dass von Nazis mit Persilschein geschrieben, gelehrt und gesprochen wurde. Unter den Talaren der Muff von tausend Jahren! Hätte ich all das nur früher gewusst, ich hätte wohl kaum so verblendet gegen die AfD angeschrieben…
Andererseits: Vielleicht hatte ich ja doch all die Jahre recht, vielleicht ist es ja die „taz“, die sich in die Tasche lügt, wenn sie den baldigen Untergang der AfD herbeisehnt, vielleicht sind es Plenk und Swoboda, die sich Illusionen hingeben, wenn sie sich selbst für bürgerlich halten und Teile der AfD auf ihrer Seite wähnen. Vielleicht hat die AfD mit den Abgängen von Lucke und Petry ja gar nicht große Teile der Wählerschaft verloren, sondern ist gar gewachsen und hat neue Wählerschaften noch weiter rechts für sich erschlossen, weil sie sich die BlutundBoden-credibility der NPD, deren Leute sie mittlerweile beschäftigt, verdient hat.
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