Verfassungswidrig?
„Hau-ab-Gesetz“ erntet scharfe Kritik
Seehofers "Geordnete-Rückkehr-Gesetz" stößt im Bundestag auf Kritik. Nach Meinung von Pro Asyl sind einige Verschärfungen des Asylrechts gar verfassungswidrig. Es geht um Haft, Streichung von Sozialleistungen, Beschäftigungsverbot und Dienstgeheimnisse.
Freitag, 17.05.2019, 5:26 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 22.05.2019, 16:41 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Der Gesetzentwurf zur konsequenten Abschiebung abgelehnter Asylbewerber stößt bei der Opposition im Bundestag auf Kritik. Linke und Grüne warfen der großen Koalition bei der ersten Lesung des „Geordnete-Rückkehr-Gesetzes“ am Donnerstag in Berlin eine Missachtung von Grundrechten der Betroffenen vor. Die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Ulla Jelpke, sagte, die verbliebenen Rechte von Schutzsuchenden würden bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt. Grünen-Politikerin Filiz Polat sprach von unverhältnismäßigen Eingriffen in die Grundrechte.
FDP-Generalsekretärin Linda Teuteberg sagte, das Gesetz bringe Fortschritt nur im Schneckentempo. Sie kritisierte ein „Kompetenzchaos“ zwischen Bund und Ländern und forderte, dass der Bund vollständig Verantwortung übernehmen sollte – auch für Abschiebehaft und Vollzug. Gemeinsam mit den Ländern müsse ein breiter Migrationskonsens erarbeitet werden. AfD-Politiker Gottfried Curio bezeichnete den Entwurf als unzureichend. Da es weiterhin Geld- statt Sachleistungen gebe, bestehe das Anreizsystem in vollem Umfang fort.
Info: Mit dem „Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht“ will die Bundesregierung Abschiebungen abgelehnter Asylbewerber leichter durchgesetzen. Ausreisepflichtige, die nach Meinung der Behörden selbst schuld daran sind, dass sie keine Papiere haben, sollen künftig einen Sonderstatus erhalten. Verbunden ist damit eine Wohnsitzauflage und ein Beschäftigungsverbot. Flüchtlinge, die nicht an der Feststellung ihrer Identität mitwirken, sollen zudem weniger Sozialleistungen erhalten. Flüchtlinge, für die ein anderer EU-Staat zuständig ist, sollen gar keine Hilfe mehr bekommen. Eine neue Haftform, die Mitwirkungshaft, wird eingeführt. Nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs müssen Abschiebehäftlinge getrennt von regulären Strafgefangenen untergebracht werden. Das Gesetz sieht eine dreijährige Aussetzung dieses Trennungsgebotes vor. Angaben zu Termin und Ablauf von Abschiebungen sollen künftig Dienstgeheimnisse sein, deren Weitergabe strafbar ist.
Pro Asyl warnt vor fatalen Folgen
240.000 Menschen in Deutschland gelten als ausreisepflichtig, haben also keinen Status, der ihnen ein Bleiben in Deutschland erlaubt. 184.000 davon sind geduldet, meist weil Papiere fehlen, die für eine Abschiebung notwendig sind. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) ist dieser Hinderungsgrund ein Dorn im Auge. Er will dafür sorgen, dass Ausländer künftig bei der Beschaffung der Papiere helfen – zur Not, indem sie in Haft genommen werden. Im Plenum warb der Minister um Zustimmung zu dem Gesetz, das „eine Reihe von Schwachstellen im geltenden Recht beheben“ werde.
Die Organisation Pro Asyl warnte vor fatalen Folgen des „Hau-ab-Gesetzes“. „Zehntausende werden in Deutschland permanent in Angst vor Haft und vor Abschiebungen in menschenunwürdige Zustände leben“, erklärte Geschäftsführer Günter Burkhardt. Es sei inakzeptabel, dass die Sozialpolitik instrumentalisiert werde, um Flüchtlinge aus Deutschland hinauszuekeln. Einige der vorgesehenen Verschärfungen bezeichnete er als verfassungswidrig.
Psychotherapeuten gegen Ausschluss
Die Bundespsychotherapeutenkammer forderte, dass Psychotherapeuten ausdrücklich zu Gutachten in aufenthaltsrechtlichen Verfahren zugelassen werden müssten. Asylsuchende dürften nicht abgeschoben werden, wenn eine lebensbedrohliche oder schwerwiegende Erkrankung bestehe, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde. Eine solche Gefahr für Leib und Leben könnten auch schwere psychische Erkrankungen sein, insbesondere Depressionen, Psychosen und posttraumatische Belastungsstörungen.
Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände bezeichnete es als richtig, bei den Ausreisepflichtigen noch stärker zu unterscheiden, wer sich kooperativ verhalte und wer nicht. Wenn Geduldete ihre Ausreise nicht durch eigenes Verhalten verhinderten, diese aber trotzdem nicht möglich ist, sollten Integrationsangebote weitergehender als bisher geöffnet werden. (epd/mig) Leitartikel Politik
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Dieses „Geordnete-Rückkehr-Gesetz“ erinnert an den Umgang von Nazis mit „Asozialen“ in 30ern und 40ern Jahren. Solche Gesetze sind sehr schlimm. Aus Fehlern der Vergangenheit muss man lernen!
Dann soll es bei Seehofers Gesetz noch ein Verbot für Veröffentlichung von Abschiebeterminen geben. Das verstößt eindeutig gegen den Artikel 5 GG (Freie Meinungsäußerung).