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MiGAZIN Kolumnist Sven Bensmann © privat, bearb. MiG

Nebenan

Es war nicht alles gut

Es ist nicht alles schlecht im Osten. Sogar die russlandtreue AfD nicht, wenn sie am Ende einen deutschen Waffengang im Iran verhindert. Dann ist sie zumindest zu dieser einen Sache gut gewesen.

Von Dienstag, 18.06.2019, 5:23 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 01.07.2019, 14:27 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

Sicher, wer das Arbeiter- und Bauernparadies DDR noch selbst erlebt hat, muss vom Lobbyisten- und Leistungsträgerparadies BRD enttäuscht sein: Hat der Grad der alltäglichen Überwachung längst zum großen Vorbild DDR aufgeschlossen, blieben Arbeitnehmerrechte zunehmend auf der Strecke, haben die Lebenshaltungskosten in einem Maße zugenommen, bei dem höchstens die „Leistungsträger“, deren Leistung zumeist darin besteht, reich geerbt zu haben, mithalten können – während der leistungslose Wohlstand in den Minijobs ganz unten oft nicht einmal mehr dann eine Familienplanung erlaubt, wenn der Plan in der Prävention einer Familie besteht

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Und der Erfolg der AfD setzt genau da an: Trotz ihrer ultraliberalen Arbeiterverachtung schafft sie es, sich als Anwalt der kleinen Leute zu verkaufen, in dem sie ihren Wählern weißmacht, dass allein „die Ausländer“ an ihren Problemen Schuld sind, und nicht beispielsweise die Hartz-Reformen der SPD. Gleichzeitig gibt Sie den Menschen mit ihrer völkischen Familienpolitik eine Idee davon, wie die eigene heile Familienwelt in einer Zeit von Minijobs, Leiharbeit und Mietenexplosion aussehen könnte.

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Die DDR-Bürger haben darüber hinaus die schlimmsten Seiten einer feindlichen Übernahme in der Epoche des Kapitalismus am eigenen Leibe erlebt: Im Zuge der Wiedervereinigung wurden über die Treuhand volkseigene Betriebe aufgekauft, zerschlagen oder in einigen Fällen auch ohne jede Not komplett dicht gemacht – einzig und allein, um westdeutsche Unternehmen vor Konkurrenz zu bewahren. Kein Wunder, dass xenophobe Reflexe in diesem Raum gedeihen. Blühende Landschaften schafft man so jedenfalls nur, wo sich Wildpflanzen die Industriebrachen zurückerobern: Der Soli, der ja nun abgeschafft werden soll, er ist nicht einmal ein symbolischer Ablasshandel für die Segen der Wiedervereinigung.

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Aber, aber – werden die Leute sagen – was ist denn nun mit der ständigen Überwachung? Es war doch nun wirklich nicht alles gut!

Sicher, nur: Überwachung ist ein erste-Welt-Problem, dass man sich erst einmal leisten können muss. Das Unrecht, dass die StaSi verursacht hat, es lässt sich schwer aufrechnen gegen das Unrecht, dass den Schleckerfrauen angetan wurde, dass Menschen angetan wird, die vom Jobcenter auf einem winterlichen Campingplatz wortwörtlich geparkt werden, weil es keinen anderen bezahlbaren Wohnraum mehr gibt. Das Unrecht, dass nicht einmal 100 Menschen angetan wurde, die sich besten Wissens in den Widerstand gegen ein Unrechtsregime begaben und dafür zum Tode verurteilt wurde, es lässt sich kaum verrechnen mit 120.000 Menschen, die jährlich sterben müssen, damit international agierende deutsche Großkonzerne ein paar lumpige Euro mehr verdienen können. [Das hat er doch jetzt nicht ernsthaft gesagt!? – Doch hat er.]

Es war nicht alles gut in der DDR. Aber die Bilder der paradiesischen Zustände, die die Werbung den Ossis vom Westen gemalt hat, sie führten mit der Maueröffnung in den kalten Entzug; und der ist nun eben der Nährboden für die AfD. Ein Nährboden, dem aktuell nur die Grünen mit ihrer frohen Botschaft von der Erlösung von dem Klimawandel – und vom Kohlekumpel, der für unsere Sünden geopfert werden muss – eine eigene Erzählung entgegensetzen können.

Auch wenn sich der Niedergang der Volksparteien aktuell noch vor allem in der SPD manifestiert – und die CDU daher häufig übersehen wird – kündigt sich die Ablösung der Volksparteien CDU und SPD durch die neuen Großparteien AfD (Ost) und Grüne (West) bereits deutlich an – dass die CSU weitgehend unbeeindruckt hiervon bleibt, liegt letztlich allein darin begründet, dass der bayrische Hinterwäldler noch immer daran glaubt, dass Gott höchstpersönlich ihm seinen Acker geschenkt hat, ihm Untertan zu sein – und die CSU, ihn zu regieren.

Dass kürzlich aus dem Osten der CDU ein Ruf nach Putin-Appeasement laut wurde, just als die Trump-Administration begann, für einen Angriff auf den Iran zu trommeln, deutet bereits darauf hin, welch härtere Zeiten nun für die Union anbrechen: Kurz nachdem John „Bomb Iran“ Bolton auf einer Veranstaltung von Exil-Iranern versprach, in Kürze zusammen in Teheran auf den Straßen zu feiern und daraufhin ins Weiße Haus berufen wurde, hatte Trump bereits unilateral das diplomatische Meisterstück des Atomabkommens mit dem Iran hintertrieben.

Mittlerweile sind dann auch einige „Beweise“ von Angriffen auf Tanker dazugekommen, die erst das Eine, dann ganz plötzlich etwas völlig anderes bewiesen, weil die Schiffsbesatzung selbst diesen „Beweisen“ widersprochen hatte. Und mittlerweile hat sich Großbritannien auf die Seite der USA geschlagen, gleich ganz ohne Beweise – denn nach dem Brexit bleiben nur noch die USA als Partner: Schöne neue Welt.

Die Gewissheit, mit der die USA diese „unwiderlegbaren Beweise“ vorlegen, ähnelt dabei der Gewissheit, mit der schon Beweise für Saddam Husseins Massenvernichtungswaffen vorgelegt wurden. Und erinnern wir uns: schon damals hatte Angela Merkel, ganz ohne Not, auf Schröders „Nein“ zur Beteiligung an diesem völkerrechtswidrigen Angriff in Washington ein paar Stiefel geleckt – und beteuert, dass Deutschland unter ihrer Führung stramm an der Seite der Kriegsverbrecher marschiert wäre.

Es ist eben auch nicht alles schlecht im Osten. Und wenn es am Ende noch die stets russlandtreue AfD brauchen sollte, um einen deutschen Waffengang im Iran zu verhindern, dann ist sie zumindest zu dieser einen Sache gut gewesen. Aktuell Meinung

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  1. Margot Lachhab sagt:

    Die DDR-Bürger haben darüber hinaus die schlimmsten Seiten einer feindlichen Übernahme in der Epoche des Kapitalismus am eigenen Leibe erlebt: Im Zuge der Wiedervereinigung wurden über die Treuhand volkseigene Betriebe aufgekauft, zerschlagen oder in einigen Fällen auch ohne jede Not komplett dicht gemacht – einzig und allein, um westdeutsche Unternehmen vor Konkurrenz zu bewahren.
    Dieser Satz stimmt zu 1000%.Leider!!!Und was das Schlimme an der ganzen Geschichte ist,die DDR-Bürger haben fast alle nur die D-Mark,die Bananen und die Reisen gesehehen.Obwohl wir in der Schule auch über den Kapitalismus viel gelernt haben.Aber die meisten sind erst aufgewacht,als zum Beispiel der Arbeitsplatz wegwar,die Miete zu hoch wurde usw.
    Danke für den Kommentar,Herr Bensmann

  2. Jacky sagt:

    Die wenigsten Betriebe aus dem Osten waren denen im Westen eine Konkurrenz die man hätte schließen müssen.
    Im Gegenteil waren einfach die meisten Betriebe schlicht nicht überlebensfähig – waren die Mieten so niedrig weil kein Geld in die Wohnungen investiert wurde und der Staat das alles geregelt hat.

    Der Sozialismus der DDR war nicht überlebensfähig ohne Geld aus dem Ausland, insofern sind alle Aussagen dazu sinnfrei.
    Klar können wir auch die Mieten hier in Deutschland niedrig halten wenn die USA uns einfach jedes Jahr zig Milliarden überweisen. Oder Menschen in Betrieben einstellen und sinnlos und teuer PRodukte herstellen die auf dem Markt nie verkauft werden können.
    Funktioniert nicht – ist aus vielen Gründen eben auch unsinnig.

  3. Markus sagt:

    (..) Und wenn es am Ende noch die stets russlandtreue AfD brauchen sollte, um einen deutschen Waffengang im Iran zu verhindern, dann ist sie zumindest zu dieser einen Sache gut gewesen.

    Die Afd ist meiner Meinung nach Partei, auf deren pazifistische Haltung man sich verlassen könnte. Mag sein, lieber Herr Bensmann, dass die AfD momentan mithilft einen deutschen Waffengang im Iran zu verhindern. Ich würde mich aber nicht wundern, wenn die AfD zu anderen Kriegseinsätzen schneller ja sagen würde, als die anderen Parteien.

    Mit freundlichem Gruß,
    Markus