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Trotz Verbot

Verzweifelte Lage an Bord treibt „Sea-Watch“ in italienische Gewässer

Angesichts der kritischen Lage an Bord sieht die "Sea-Watch 3" keine andere Möglichkeit mehr, als ohne Freigabe die italienische Küste anzusteuern. Die Retter fühlen sich von Europa im Stich gelassen. Ihnen droht in Italien Strafverfolgung.

Donnerstag, 27.06.2019, 5:26 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 02.07.2019, 17:39 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Trotz fehlender Genehmigung zum Einlaufen hat das Rettungsschiff „Sea-Watch 3“ nach Angaben der Organisation am Mittwoch die italienische Küste angesteuert. Das Schiff mit noch 42 Flüchtlingen an Bord habe sich angesichts der verzweifelten Lage der vor zwei Wochen geretteten Menschen gezwungen gesehen, gegen Mittag in italienische Hoheitsgewässer einzufahren, teilte die in Berlin ansässige gemeinnützige Initiative mit. Kapitänin Carola Rackete kündigte auf Twitter an, sie wolle den Hafen von Lampedusa ansteuern. Damit riskieren die Retter, dass ihr Schiff festgesetzt und sie selbst strafrechtlich verfolgt werden.

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Die Organisation zitierte Kapitänin Rackete auf Twitter mit den Worten: „Ich habe beschlossen in den Hafen von Lampedusa einzufahren. Ich weiß was ich riskiere, aber die 42 Geretteten sind erschöpft. Ich bringe sie jetzt in Sicherheit.“ Keine europäische Institution sei bereit, die Verantwortung zu übernehmen, beklagten die Retter. Nachdem ein Eilantrag der „Sea-Watch 3“ vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) am Dienstagabend gescheitert sei, habe sich die Lage der Menschen schlimmer denn je dargestellt.

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„Wir hatten schon die ganze Zeit die Situation, dass Menschen über Bord springen wollten“, sagte Sprecher Ruben Neugebauer dem Evangelischen Pressedienst (epd). Die Seenotretter hatten vor dem EGMR beantragt, die aufgenommenen Flüchtlinge in Italien an Land bringen zu dürfen. Laut EGMR rechtfertigt die aktuelle Situation an Bord des Schiffes aber keinen Zwang gegen das Land.

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Keine anderen Optionen mehr

„Wir entern italienisches Gewässer, weil wir keine anderen Optionen mehr haben, um die Sicherheit unserer Gäste zu gewährleisten, deren grundlegenden Rechte lange genug verletzt worden sind“, erklärte der Sea-Watch-Vorsitzende Johannes Bayer nach dem Gerichtsbeschluss. „Wir haben Menschen an Bord, die Gräuel in Libyen durchgemacht haben, die schwer gefoltert wurden, aber selbst wenn dies nicht der Fall wäre, muss jede aus See gerettete Person dem Gesetz zufolge an einen sicheren Ort gebracht werden.“

Keine europäische Institution sei bereit, „die Menschenwürde an der europäischen Grenze im Mittelmeer zu wahren“, sagte Bayer. „Deshalb müssen wir die Verantwortung selbst übernehmen.“ Sea-Watch könne nicht warten, „bis jeder Einzelne zum medizinischen Notfall wird“.

Italien droht

Die „Sea-Watch 3“ hatte am 12. Juni 53 Menschen in Seenot aus dem Mittelmeer gerettet. Einige wurden als medizinische Notfälle von Bord gebracht. Die anderen harrten in ungewisser Lage vor der Insel Lampedusa aus.

Der italienische Innenminister Matteo Salvini bekräftigte am Mittwoch seine harte Haltung. Italien werde keine Form von Kriminalität dulden. „Wer Fehler macht, wird zahlen“, betonte Salvini auf Twitter hinsichtlich der vor kurzem beschlossenen Strafen für die Besatzung von Schiffen mit Flüchtlingen, die Italien ohne Genehmigung anlaufen. Europa sei wie üblich „abwesend“. Der stellvertretende Ministerpräsident forderte das Schiff ferner auf, nach Tunesien zu fahren. Dort herrsche kein Krieg. Schiffe, die Migranten an Bord nähmen, müssten den nächstgelegenen Hafen ansteuern, sagte Salvini.

Kriminalisierung beenden

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, drängte dagegen mit Blick auf die „Sea-Watch“, die Kriminalisierung der Seenotretter zu beenden. „Das, was da passiert, ist ein moralischer Skandal“, sagte Bedford-Strohm am Mittwoch in Berlin. Die EKD prüfe derzeit eine Resolution, die auf dem Kirchentag verabschiedet worden war. Der EU-Abgeordnete Sven Giegold (Grüne) hatte eine Petition aufgesetzt, die fordert, dass die EKD ein eigenes Schiff ins Mittelmeer entsendet.

Die Organisation Pro Asyl forderte die sofortige Ausschiffung und Aufnahme der Geretteten. Die Seenotrettung dürfe nicht durch Einlaufverbote in einen sicheren Hafen behindert werden, betonte Pro Asyl in Frankfurt am Main. Die Europapolitik-Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen, Franziska Brantner, nannte die drohenden Strafen für die „Sea-Watch“-Crew ein Armutszeugnis für die europäische Solidarität. (epd/mig) Leitartikel Panorama

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