Gerichtshof für Menschenrechte
Journalisten müssen in Flüchtlingszentren recherchieren können
Es verstößt gegen die Pressefreiheit, wenn Journalisten der Zugang zu Flüchtlingsaufnahmezentren verwehrt wird. Das hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte zu einem Fall in Ungrarn entschieden. Es bestehe in öffentliches Interesse an Berichten über Missstände.
Mittwoch, 09.10.2019, 5:23 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 10.10.2019, 17:20 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
Journalisten darf der Zutritt zu einem Flüchtlingsaufnahmezentrum nicht unter dem Vorwand verwehrt werden, den Bewohnern drohten Persönlichkeitsrechtsverletzungen. Es verstoße gegen die Pressefreiheit, wenn Journalisten Flüchtlinge nicht mit deren Einverständnis interviewen und sie fotografieren dürften, um so mögliche Missstände aufdecken zu können, urteilte am Dienstag der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) zu einem Fall in Ungarn. Den Medien müsse mit Blick auf ihre Wächterrolle in der Gesellschaft auch die Möglichkeit zur Recherche gegeben werden, so die Straßburger Richter. (AZ: 15428/16)
Damit bekam ein Journalist des ungarischen Internet-Nachrichtenportals www.abcugh.hu recht. Dieser wollte im September 2015 über die Zustände in dem Flüchtlingsaufnahmezentrum im ungarischen Debrecen berichten. Laut Flüchtlingshilfe-Organisation „Pro Asyl“ haben Asylbewerber menschenunwürdige Bedingungen in dem Zentrum beklagt, in dem ganze Familien inhaftiert würden.
Die ungarischen Behörden verweigerten dem Journalisten jedoch den Zutritt zum Aufnahmelager. Im Falle einer Berichterstattung könnten die Sicherheit der befragten Flüchtlinge gefährdet sein und ihre Persönlichkeitsrechte verletzt werden, hieß es zur Begründung. Die ungarischen Gerichte beanstandeten die Behördenentscheidung nicht.
Öffentliches Interesse an Berichterstattung
Doch damit hat Ungarn gegen die in der Europäischen Menschenrechtskonvention verankerten Pressefreiheit verstoßen. Die Behörden hätte gar nicht berücksichtigt, dass die geplanten Interviews und Fotos nur im Einverständnis der Flüchtlinge erfolgen sollten. Es habe zudem ein großes öffentliches Interesse an einer Berichterstattung über die Missstände in dem Zentrum bestanden, so der Menschenrechtsgerichtshof.
Es sei auch gar nicht klar erläutert worden, warum denn die Sicherheit der Flüchtlinge gefährdet sein könnte. Der Journalist habe sich außerdem nicht darauf verweisen lassen müssen, die Interviews doch außerhalb des Aufnahmezentrums zu führen oder einfach Hilfsorganisationen zur Situation in dem Zentrum zu befragen, erklärten die Richter. Journalisten müssten sich selbst ein Bild machen können. Dies gebiete die Pressefreiheit. (epd/mig) Aktuell Recht
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