Einweisung in Psychiatrie
Silvester-Fahrer habe zwar gezielt Ausländer angefahren, aber nicht aus Ausländerhass
Der Fahrer habe seinen Wagen zwar gezielt in Menschengruppen mit ausländischem Aussehen gesteuert, Ausländerhass oder eine rechtsradikale Tat liege nicht vor. Das erklärte der Richter im Fall des Silvester-Fahrers von Bottrop und Essen. Der Angeklagte wurde in eine Psychiatrie eingewiesen.
Montag, 16.12.2019, 5:24 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 28.01.2020, 11:52 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
In der Silvesternacht 2018 steuerte ein 50-Jähriger seinen Wagen in Bottrop und Essen mehrfach auf Menschengruppen, die er für Ausländer hielt. Dabei wurden 14 Menschen verletzt, nur durch Glück gab es keine Todesopfer. Eine Frau schwebte vorübergehend in akuter Lebensgefahr. Die Opfer leiden zum Teil bis heute unter den physischen und psychischen Folgen der Tat.
Vergangenen Woche Mittwoch musste sich der Fahrer vor dem Landgericht Essen für seine Tat verantworten. Angeklagt wurde er unter anderem wegen versuchten Mordes, vollendeter bzw. versuchter gefährlicher Körperverletzung zum Nachteil mehrerer Geschädigter sowie gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr. Angesichts der Schwere der Tat fiel Richter Simon Assenmacher ein überraschendes Urteil: Der Essener wurde auf unbestimmte Zeit in eine Psychiatrie eingewiesen.
Richter: Keine rechtsradikale Tat
Dem Richter zufolge war es die Silvesterfahrt die Tat eines „schwer erkrankten Menschen“. Der 50-Jährige habe zwar gezielt Menschen mit ausländischem Aussehen angefahren und deren Tod billigend in Kauf genommen. Dennoch könne ihm kein Ausländerhass unterstellt werden.
Er habe in der Silvesternacht im Zustand einer akuten paranoiden Schizophrenie geglaubt, dass ein Anschlag vorbereitet werde. Deshalb habe er sich beauftragt gefühlt, dies zu verhindern. Er habe sich in einer Mission gewähnt, die Straßen „wie mit einem Staubsauger langsam zu reinigen“, so der Richter. Mithin liege auch kein terroristischer Hintergrund vor. Die Geschädigten seien nicht Opfer eines rechtsradikalen Täters geworden.
Gutachten nach drei Wochen
Laut Urteil war bei dem 50-Jährigen die Fähigkeit, das Unrecht einzusehen, komplett aufgehoben. Aufgrund dieser Schuldunfähigkeit komme eine klassische Bestrafung nicht in Frage. Weil vom ihm aber eine Gefahr ausgehe, müsse er in einer geschlossenen Psychiatrie untergebracht werden.
Bereits drei Wochen nach der Tat wurde dem Angeklagten in einem Gutachten erheblich verminderte Schuldfähigekit attestiert. Im April 2019 teilte die Staatsanwaltschaft dann endgültig mit, der Täter sei während der Tat schuldunfähig gewesen. (mig) Aktuell Recht
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Bei diesem Urteil muß sich doch ernstlich fragen, ob die BRD noch ein Rechtsstaat ist!
In einem anderen Beitrag dieser Ausgabe von MIGAZIN heißt es: „Der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, wirft der Justiz in Deutschland vor, antisemitische Straftaten nicht ausreichend zu verfolgen. Er sehe bei der Justiz ein ‚ganz erhebliches Defizit‘ in der Bekämpfung von Antisemitismus, sagte Schuster in einem Interview in der aktuellen Ausgabe des ‚Spiegel‘. ‚Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass auf dem rechten Auge bei der Justiz eine Sehschwäche vorliegt‘, sagte Schuster. Bei antisemitischen Straftaten scheine die Justiz mitunter ‚geradezu strafmildernde Gründe zu suchen‘. So schrecke man nicht ab.“
Denselben Vorwurf könnte man erheben, wenn man nur das Wort ‚antisemitisch‘ durch ‚islamfeindlich‘ oder ‚muslimfeindlich‘ ersetzt. „Die Islamophobie ist in die Mitte der Gesellschaft vorgedrungen“ hieß es an anderer Stelle bereits vor Jahren. Also ist sie auch bei Richtern, Beisitzern und Erstellern von Gutachten angekommen, die dies jedoch meist gar nicht bemerken.
Es gibt zu zahlreiche Fälle, in denen Tätern gerade bei fremden- oder muslimfeindlichen Straftaten vom Gericht eine Schuldfähigkeit abgesprochen oder eine nur eingeschränkte zugesprochen worden ist, während ausländischen oder Straftätern mit muslimischem Hintergrund bei vergleichbaren Handlungen die volle Schuldfähigkeit zugesprochen wird, als ob dieses Ungleichgewicht nicht auffallen würde. Zumindest erweckt das bei zahlreichen Mitgliedern der betroffenen Bevölkerungsgruppe Zweifel an der Gerechtigkeit der staatlichen Justiz.
Soll es in der BRD auch soweit kommen wie in einigen Ländern dieser Erde, daß Ausländer und Muslime ohne Rechtssicherheit leben und deswegen gewisse an ihnen begangene Straftaten gar nicht erst anzeigen, da sie davon ausgehen müssen, daß die Täter straffrei ausgehen oder sogar sie selbst schuldig gesprochen werden?
@cougar – komisch, im letzten Absatz entspricht die Realität eher dem „dass Ausländer und Nicht-Muslime ohne Rechtssicherheit leben“ wenn ich mir den aktuellen Atlas der Christenverfolgung mal anschaue.
Und wenn man sich bestimmte Urteile anschaue spricht die Gegenseite dann wieder vom „Migrantenbonus“. Wir sehen – alles eine rein subjektive Wahrnehmung.
Ich bin noch froh über unser Rechtssystem.