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Jahresbericht

Starker Anstieg rechtsextremer Verdachtsfälle bei der Bundeswehr

Die Zahl der rechtsextremen Verdachtsfälle bei der Bundeswehr ist sprunghaft angestiegen. Der Wehrbeauftragte sieht Handlungsbedarf. Die Linke wirft der Bundesregierung eine Taktik des Beschönigens und Verschleierns.

Mittwoch, 29.01.2020, 5:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 28.01.2020, 23:59 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Bei rechtsextremistischen Vorfällen in der Bundeswehr wünscht sich der Wehrbeauftragte der Bundesregierung, Hans-Peter Bartels (SPD), mehr Transparenz. Am Dienstag stellte er den 61. Jahresbericht seit Bestehen des Amtes des Wehrbeauftragten vor. Darin geht er auch auf die „Verletzung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung“ durch Soldaten ein. Auch bei der Militärseelsorge gebe es nach wie vor viel zu tun.

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Dem Bericht zufolge bearbeitete der Militärische Abschirmdienst (MAD) im Bereich Rechtsextremismus im vergangenen Jahr 363 neue Verdachtsfälle, deutlich mehr als 2018, als es 270 waren. Der Wehrbeauftragte begründet das damit, dass die Bundeswehr „sensibel für das Thema“ sei. „Extremisten können sich nicht darauf verlassen, dass Kameraden weghören oder wegschauen.“

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45 Soldaten entlassen

Die Zahl der einschlägigen „meldepflichtigen Ereignisse“ habe bei 197 gelegen. 45 Soldaten seien vorzeitig entlassen worden. Bei den meldepflichtigen Ereignissen habe es sich um sogenannte Propagandafälle gehandelt. Dazu zählten unter anderem das Einbringen von extremistischer Musik, das Zeigen des verbotenen „Hitler-Grußes“ oder ausländerfeindliche und antisemitische Äußerungen.

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Bartels sprach sich dafür aus, dass der MAD die Öffentlichkeit jährlich selbst über die Erkenntnisse zum Phänomenbereich Rechtsextremismus unterrichten soll. „Meine Zahlen jedenfalls sind keine eigenen Erkenntnisse“, stellte der Wehrbeauftragte klar. Er beziehe sich lediglich auf Abfragen beim Ministerium. Bartels wies zugleich darauf hin, dass die Bundesbehörde bereits angekündigt habe, künftig MAD-Tätigkeitsberichte zu veröffentlichen.

Linke: Mehr als Einzelfälle

Christine Buchholz (Die Linke) zufolge illustriert der Bericht das „Versagen der Bundesregierung beim Kampf gegen den Rechtsextremismus“. Die Bundesregierung und der Wehrbeauftragte würden immer noch so tun, „als ob es sich um eine Ansammlung von Einzelfällen handelt“. Diese Taktik des Beschönigens und Verschleierns erleichtere es Nazis, innerhalb der Bundeswehr Netzwerke aufzubauen.

Es sei ermutigend, dass viele Soldaten es nicht mehr hinnehmen, wenn Vorgesetzte oder Kameraden den Hitlergruß zeigen oder rassistische Sprüche klopfen. Das explosionsartige Ansteigen der Verdachtsfälle lasse sich jedoch nicht nur auf eine gestiegene Sensibilität zurückführen. „Es drückt in dramatischer Weise das Anwachsen der Gefahr von rechts aus“, erklärte Buchholz.

Die Bundeswehr hat Rechtsextremismus in den eigenen Reihen seit der Enttarnung des mutmaßlichen Rechtsterroristen Franco A. stärker im Blick. Der Soldat Franco A. war 2017 in Untersuchungshaft genommen worden. Er soll ein Attentat auf einen hochrangigen Politiker und Personen des öffentlichen Lebens geplant haben. Dies habe er dann Asylbewerbern in die Schuhe schieben wollen. A. erwartet ein Verfahren vor dem Oberlandesgericht Frankfurt.

Warten auf Rabbiner und Imame

Bei der Militärseelsorge ruft Bartels die Bundeswehr auf, mit der Bestellung eines ersten Rabbiners und eines ersten Imams nicht allzu lange zu warten – „nicht nur um schnell einen konkreten Bedarf zu decken, sondern um ein Zeichen zu setzen“. Während nach Gründung der Bundeswehr in den 50er Jahren 98 Prozent der Soldaten evangelisch oder katholisch gewesen seien, sehe das heute ganz anders aus: Nach Schätzungen gebe es etwa 300 jüdische und rund 3.000 muslimische Soldatinnen und Soldaten.

In Bezug auf sexuelle Belästigungen und Übergriffe sei die Zahl der Meldungen von 288 im Jahr 2018 auf 345 im vergangenen Jahr gestiegen. An den Regeln des Umgangs zwischen den Geschlechtern müsse weiter gearbeitet werden, resümierte er. Der steigende Frauenanteil in der Bundeswehr werde das Problem nicht von alleine lösen.

„Gefühlte Omnipräsenz“

Nicht alle Angehörigen der Streitkräfte seien für Vielfalt in den eigenen Reihen gewonnen worden, heißt es in dem Bericht zudem. So habe beispielsweise ein Offizier in einer Eingabe „eine gefühlte Omnipräsenz von transgeschlechtlichen Menschen in der Bundeswehr“ beanstandet.

Insgesamt sank laut Bartels die Zahl der bearbeiteten Vorgänge leicht: Waren es demnach 2018 noch 3.939, waren es im Berichtsjahr 3.835. Dieser Trend zeige möglicherweise, dass in der jetzt wieder wachsenden Bundeswehr Unsicherheiten, die sich aus Umstrukturierungen und Standortschließungen ergeben hätten, Geschichte seien. (epd/mig) Leitartikel Panorama

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