Interview mit Claus Leggewie
„Ich erwarte eine entschiedene Reaktion des Staates“
Nach dem Anschlag von Hanau ist die Sprache der Spitzenpolitiker gegen Rechts deutlicher geworden. Doch das reicht nicht, sagt der Politikwissenschaftler Claus Leggewie im Interview. Der Staat muss eine entschiedene Antwort geben und gefährdete Menschen besser schützen.
Von Bettina Markmeyer Montag, 24.02.2020, 5:21 Uhr|zuletzt aktualisiert: Samstag, 22.02.2020, 20:39 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
Herr Leggewie, Bundeskanzlerin Merkel hat nach der Gewalttat von Hanau vom „Gift“ des Rassismus gesprochen. Lassen die Reaktionen der Politik eine neue Qualität im Umgang mit der Gefahr von Rechts erkennen?
Claus Leggewie: Die Sprache ist deutlicher geworden, nachdem man in Sachen Rechtsextremismus lange laviert, verharmlost und falschverstanden hat. Zur wehrhaften Demokratie fehlt aber die entschiedene Reaktion des Staates und der Gerichte auf Gewaltandrohung und -taten. Ich war bei der Mahnwache in Hanau dabei. Von den politischen Repräsentanten hätte ich außer dem Mitgefühl für die Opfer und Hilflosigkeit gegenüber dem Terror eine glaubhafte Demonstration staatlicher Entschlossenheit erwartet.
Es reicht nicht, die Zivilgesellschaft anzusprechen und aufzufordern, für den Zusammenhalt einzustehen. Björn Höcke von der AfD beschimpft genau diese Zivilgesellschaft als „Sumpf“, den es auszutrocknen gelte. Das ist eine Gewaltandrohung, nichts anderes. Die Sicherheitsorgane müssen klare Kante zeigen und das Gewaltmonopol durchsetzen.
Erwarten Sie Konsequenzen aus der Tat von Hanau, vom Gesetzgeber, bei den Behörden?
Claus Leggewie: Ja. Besser geschützt werden müssen besonders bedrohte Bevölkerungs- und Berufsgruppen und Personen, die bei den Rechten auf Listen vermerkt sind. Auch darf man die dezentralen, wenig organisierten Wehrsportgruppen und Kameradschaften nicht länger gewähren lassen.
Muss sich im Bundestag etwas ändern im Umgang mit den AfD-Abgeordneten?
Claus Leggewie: Man muss sie wohl oder übel reden lassen, aber man kann weniger zuhören und sich nicht so schnell echauffieren. Während einer Rede zum Beispiel von Frau Weidel wäre mal Zeit, E-Mails zu checken, sich die Füße zu vertreten oder Zwischenrufe einzustreuen – Lächerlichkeit kann töten.
Problematisch erscheint mir hingegen die Drohung mit einer Beobachtung durch den Verfassungsschutz. Dies beträfe eine Partei mit bundesweit 15 und regional 25 Prozent Wählerstimmen. Es geht vielmehr um die politisch-moralische Ächtung einer Partei, die die repräsentative Demokratie sturmreif schießen will, Andersdenkende und Andersaussehende verfolgt und rechtsextremen Terror als Notwehr verharmlost.
Da sind vor allem die Union und die FDP gefragt. Wer heute noch AfD wählt, hat keine Entschuldigung mehr. Deren Anhänger verdienen es nicht, als „besorgte Bürger“ und „verprellte, von Merkel enttäuschte Konservative“ ernstgenommen zu werden. Ihnen muss man energisch widersprechen und Widerstand leisten. (epd/mig) Aktuell Interview Politik
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