Tränen des Doms
Rosenmontagszüge in nehmen Politik aufs Korn
Die Jecken und Narren widmen sich auch ernsten Themen: Die Karnevalszüge thematisieren den Anschlag in Hanau, die Rolle der AfD und den Führungsstreit in der CDU.
Von Andreas Rehnolt Dienstag, 25.02.2020, 5:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 24.02.2020, 17:13 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Die rassistisch motivierten Morde in Hanau, das Auftreten der rechtspopulistischen Partei AfD und die Führungsstreitigkeiten in der CDU haben die Rosenmontagszüge in den rheinischen Karnevalshochburgen Köln und Düsseldorf bestimmt. Trotz regnerischem Wetter säumten Hunderttausende kostümierte Jecken die traditionsreichen Züge, die den Höhepunkt des Straßenkarnevals ausmachen.
In Köln erinnerte ganz am Zuganfang ein weinender Dom mit geknickten Türmen und einem Herzen mit der Aufschrift „Uns Hätz schleiht för Hanau“ (Unser Herz schlägt für Hanau) an den rechtsextremistischen Anschlag. In Düsseldorf erschuf Wagenbauer Jacques Tilly einen riesigen, hochroten Kopf mit braunen Haaren, aus dessen weitaufgerissenen Mund statt einer Zunge eine Pistole mit der Aufschrift „Rassismus“ quillt. „Aus Worten werden Taten!“ heißt es auf der rechten Wange des Gesichts.
NSU – Lübcke – Halle – Hanau
Der Text am Wagenrand ist schlicht, er reiht nur vier kurze Worte aneinander: „NSU – W. Lübcke – Halle – Hanau“ und bezieht sich auf die Verbrechen der rechtsextremen Terrorzelle NSU, den Mord an dem CDU-Politiker Walter Lübcke in Kassel, den Anschlag auf die Synagoge in Halle und die rassistisch motivierten Morde in Hanau in der vergangenen Woche.
Die Rosenmontagszüge nehmen diesmal vor allem die Innenpolitik aufs Korn: Die rechtspopulistische AfD ist mehrfach Thema der Karnevalisten. In Düsseldorf nehmen die Jecken die Ministerpräsidentenwahl in Thüringen auf die Schippe. „Heilt Höcke“, heißt es da auf dem rechten Arm von Thüringens AfD-Chef Björn Höcke, der ebenfalls den völkisch-nationalistischen „Flügel“ leitet. Die Fraktionschefs von FDP und CDU stützen ihn und sorgen so dafür, dass Höcke seinen rechten Arm auch richtig hoch strecken kann. Auf einem anderen Mottowagen in Düsseldorf furzt ein AfD-Mann in brauner Hose eine Sprechblase mit dem Satz: „In Deutschland läuft alles verkehrt.“
Hanau zu spät für Mainz
In Mainz schafften die Wagenbauer es aus Zeitgründen nicht mehr, auf den Anschlag mit einem eigenen Motivwagen zu reagieren. Das Thema Führungslosigkeit in der Politik thematisierten die Mainzer Wagenbauer dagegen ebenso wie ihre Kollegen in Köln und Düsseldorf: Die CDU-Thüringen in Gestalt eines kleinen Zwergs stoppt dort die einsam in viel zu großem Mantel dahinschlurfende Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer. Aus den beiden neu gewählten SPD-Bundesvorsitzenden Norbert Walter-Borjahns und Saskia Esken wurden zwei vom Aussterben bedrohte rote Pandabärchen, die sich partout nicht vermehren wollen.
In Düsseldorf rollt ein viel beklatschter Wagen mit den auf nackten Hoden thronenden Köpfen der CDU-Männertruppe Jens Spahn, Friedrich Merz, Armin Laschet und Norbert Röttgen vorbei. Der Text: „Reines Sackhüpfen in der CDU.“ In Köln prosten sich Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Noch-CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer mit Eierlikör zu. Am Theken-Tresen hinter ihnen warten eine ganze Riege Eierlikör-Flaschen.
Blasse SPD
Die SPD-Bundes-Spitze zieht im Düsseldorfer Narrenzug als blasses, graues Führungsduo mit und verspricht dennoch missgelaunt: „Wir bringen wieder Farbe in die SPD.“ In Köln, wo gut 12.000 Aktive im Zug marschieren und etwa 300 Tonnen Süßigkeiten geworfen werden, ist man schon weiter. Hier lernen Grünen-Chef Habeck und SPD-Bundesfinanzminister Olaf Scholz von Angela Merkel in grün beziehungsweise roten Anzügen mit den Händen die Rautenform.
Mit der Weltpolitik beschäftigten sich die Wagenbauer diesmal nicht ausführlich. In Köln walzt US-Präsident Donald Trump die USA platt, in Düsseldorf liegen sich Trump und der iranische Präsident Hassan Rohani unter dem Motto „Make love, not war“ in den Armen. In Mainz sitzt Trump als twitternder Kaiser Nero vor dem brennenden Kapitol in Washington. Ein anderer Wagen zeigt einen riesigen chinesischen Drachen, der das demonstrierende Hongkong mit seinen Klauen zerquetscht. Es geht auch um den „Brexit“ der Briten, auf einem Wagen in Düsseldorf kämpft der Corona-Virus gegen den Carnevals-Virus. (epd/mig) Leitartikel Politik
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