Bundesverfassungsgericht
EU-Bürger müssen sich gegen Sozialhilfeausschluss wehren können
Ein arbeitsuchender Grieche hatte im Eilverfahren erfolglos Sozialhilfe beantragt. Auch sein Antrag auf Prozesskostenhilfe wurde abgelehnt. So nicht, entschied jetzt das Bundesverfassungsgericht. Ohne Prozesskostenhilfe könne er sich nicht wehren.
Donnerstag, 16.04.2020, 5:19 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 15.04.2020, 21:35 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
In Deutschland lebende und arbeitsuchende EU-Bürger müssen sich laut Bundesverfassungsgericht gegen den gesetzlichen Ausschluss von Sozialhilfeleistungen vor Gericht effektiv wehren können. Inwieweit das entsprechende Gesetz verfassungswidrig sei, lasse sich wegen der schwierigen Rechtsfragen nicht einfach beantworten, erklärten die Karlsruher Richter in einem am Mittwoch veröffentlichten Beschluss. Daher müssten die damit befassten Sozialgerichte den Betroffenen Prozesskostenhilfe gewähren. (AZ: 1 BvR 1246/19)
Ende 2016 hatte der Gesetzgeber den Anspruch auf Sozialhilfeleistungen für Ausländer ohne Aufenthaltsrecht oder für jene, die sich allein zur Arbeitsuche in Deutschland aufhalten, weitgehend ausgeschlossen. Sozialhilfe gibt es dann allenfalls für einen Monat als Überbrückungsleistung, damit Betroffene – meist EU-Ausländer – in ihre Heimat zurückreisen können.
Sozialgerichte uneins
Der Gesetzgeber hatte die Bestimmung eingeführt, nachdem das Bundessozialgericht in Kassel am 3. Dezember 2015 geurteilt hatte, dass nach den damaligen Bestimmungen arbeitsuchende EU-Bürger zur Deckung ihres menschenwürdigen Existenzminimums Sozialhilfe verlangen können.
Seitdem nun der gesetzliche Ausschluss der Sozialhilfeleistungen in Kraft ist, sind sich die Sozialgerichte uneins, ob die Bestimmungen verfassungsgemäß sind. Eine Vorlage des Sozialgerichts Darmstadt wies das Bundesverfassungsgericht am 26. Februar 2020 ohne inhaltliche Prüfung wegen einer unzureichenden Begründung als unzulässig zurück. (AZ: 1 BvL 1/20)
Schwierige Rechtsfrage
Im jetzt entschiedenen Fall hatte der griechische und in Deutschland lebende arbeitsuchende Beschwerdeführer im Eilverfahren erfolglos Sozialhilfe beantragt. Ohne die Hilfeleistung werde sein Recht auf sein menschenwürdiges Existenzminimum verletzt, erklärte er. Sein Antrag auf Prozesskostenhilfe wurde vom Landessozialgericht Baden-Württemberg abgelehnt. Der gesetzliche Sozialhilfeausschluss für arbeitsuchende EU-Bürger sei nicht zu beanstanden, teilten die Richter mit.
Doch damit mache es sich das Landessozialgericht zu leicht, befanden die Verfassungsrichter. Es handele sich hier um eine schwierige Rechtsfrage, für die es noch keine höchstrichterliche Entscheidung gebe. Diese Frage sei daher auch nicht im Eil- oder Prozesskostenhilfeverfahren zu entscheiden. Dem mittellosen Beschwerdeführer müsse daher Prozesskostenhilfe gewährt werden, damit er seinen Anspruch auf Sozialhilfeleistungen abschließend prüfen lassen könne. (epd/mig) Aktuell Recht
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