Corona-Krise
An vielen Orten ertönt erstmals der muslimische Gebetsruf
Seit Moscheen und Kirchen wegen der Pandemie geschlossen wurden, sind als Zeichen der Solidarität Glocken zu hören - und an vielen Orten auch erstmals Muezzinrufe. Muslime sind sehr erfreut darüber: danke Deutschland!
Montag, 04.05.2020, 5:23 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 07.05.2020, 11:25 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
„Allahu Akbar“ – Gott ist am größten – so lautet der Beginn des islamischen Gebetsrufes. Seit wegen der Corona-Pandemie Kirchen und Moscheen geschlossen wurden, ist er an zahlreichen Orten Deutschlands zu hören. Die Duisburger Zentralmoschee der Türkisch-Islamischen Union (Ditib) war wohl bundesweit die erste, die im März den Gebetsruf hören ließ.
Ermuntert von den benachbarten Kirchen sei er nun täglich um 19 Uhr gemeinsam mit dem Läuten der Glocken als Zeichen der Solidarität zu hören, sagt Hülya Ceylan, Vorsitzende des Ditib-Landesverbandes in Nordrhein-Westfalen. Hannover, Dortmund und Wuppertal mit alleine 18 Moscheevereinen, München und zahlreiche andere Orte folgten dem Beispiel. Manche ließen den Muezzinruf speziell für den islamischen Fastenmonat Ramadan zu.
Mit den Anfragen für den islamischen Gebetsruf gehen Städte und Kommunen unterschiedlich um: Köln gewährt der Ditib-Zentralmoschee und anderen Moscheen den Gebetsruf. Bremerhaven und das hessische Haiger beispielsweise nicht. Dort kam es zu einer Facebook-Debatte zwischen der dortigen CDU und dem Ausländerbeirat kam.
Mannheim lehnt ab
Auch die Stadt Mannheim lehnte die Bitte von islamischen Gemeinden nach einem Gebetsruf vom Minarett der Yavuz-Sultan-Selim-Moschee ab. Es brauche zuerst eine öffentliche Diskussion zum Gebetsruf, erklärte der Oberbürgermeister Peter Kurz (SPD).
Dies sieht die evangelische Pfarrerin Ilka Sobottke, Vorsitzende der Christlich Islamischen Gesellschaft Mannheim e.V. und „Wort zum Sonntag“-Sprecherin anders: „Es gibt keine rechtliche Grundlage dafür, dass wir diesen Ruf nicht schon längst hören.“ Muslime hätten das gleiche Recht, diesen Ruf erklingen zu lassen, wie Christen das Recht hätten, die Glocken zu läuten.
Rechtlich erlaubt – prinzipiell
Rechtlich gesehen ist ein Muezzinruf per Lautsprecher prinzipiell erlaubt. Allerdings muss man im Einzelfall verschiedene Grundrechte und Interessen abwägen, erklärt der Erlanger Rechtsprofessor Mathias Rohe. Im Einzelfall müssten die Grundrechte wie Meinungsfreiheit, Religionsfreiheit und auch negative Religionsfreiheit – also das Recht, nicht mit Religion konfrontiert zu werden – gegeneinander abgewägt werden, sagt der Experte für Islamisches Recht.
Wenn die Muezzins die Gläubigen zum Gebet aufrufen, zitieren sie unter anderem das islamische Glaubensbekenntnis, in dem es heißt: „Ich bezeuge, es gibt keine Gottheit außer Allah und Muhammad ist sein Gesandter.“ Es geht also auch um die Frage, ob von der nichtmuslimischen Mehrheitsgesellschaft in einer pluralen Gesellschaft verlangt werden kann, eine solche Glaubensbekundung „auszuhalten“ oder nicht.
In Deutschlands wird meist im Inneren der Moschee in Zimmerlautstärke zum Gebet gerufen. Nach einer erfolgreichen Klage im Jahr 1985 war die Fatih-Moschee im nordrhein-westfälischen Düren die erste in der Bundesrepublik, in der ein Muezzin dreimal täglich per Lautsprecher zum Gebet auffordern kann. Der Ruf gehört inzwischen fest zur Stadt, wie eine Umfrage unter Einwohnern ergab. Mittlerweile ist der lautsprecherverstärkte Gebetsruf an mindestens 30 Moscheen bundesweit eingeführt.
In diesen Tagen erschallt der Gebetsruf öfter, um in der herausfordernden Zeit ein gesellschaftliches Zeichen der Solidarität zu setzen. Es handelt sich um eine vorübergehende christlich-muslimische Aktion, die gut ankommt.
So finden sich beispielsweise unter einem Youtube-Video, das bereits mehr als 276.000 Aufrufe hat und den ersten Gebetsruf vom Minarett der Zentralmoschee in Duisburg-Marxloh festgehalten hat, mehr als 1.500 Kommentare – darunter zahlreiche Stimmen, die Deutschland für diese Erlaubnis danken. Ein Benutzer Namens „Seval Ozturk“ etwa bemerkt auf Türkisch, dass man Deutschland danken müsse. Seit Jahren lebten die Türken in Deutschland und noch nie sei ihre Religionsausübung beschränkt worden. Und jetzt dürfe sie sogar den Muezzin hören. Dafür erhält sie mehr als 70 Likes. (epd/mig) Aktuell Panorama
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Ich halte es für kleingeistig, den Muslimen den Ruf des Muezzin zu verweigern. Auch bei uns Bayern sollte man das einsehen. Wir sind schon längst keine rein christlich geprägte Gesellschaft mehr. Und das ist gut so!
Ich bin dagegen den Ruf des Muezzins zu erlauben.
Der Ruf erfolgt auf Arabisch und ist damit für die Mehrheit unverständlich. Ein verbal geäußertes Signal als Aufruf zum Gebet könnte religiöse Gefühle anderer Religionsgemeinschaften als Missionierungsversuch verletzen. Der Grundstückswert in der Nachbarschaft dürfte ins Bodenlose sinken.
Muslime in einem mehrheitlich christlichen Land sollten in der Lage sein, ihren Gebetsplan mit eigenem Kalender oder Smartphone-App zu organisieren.
Öffentliche Muezzinrufe sind in Deutschland in Ordnung – auch mehrmals am Tag – so lange sie nicht zu laut sind. 65 Dezibel als Obergrenze reichen da vollkommen aus.