Juristische Formfehler
Prozess um Neonazi-Überfall in Thüringen muss neu aufgerollt werden
Bei einem Neonazi-Überfall im Februar 2014 wurden zehn Menschen zum Teil schwer verletzt. Die Täter sind bis heute nicht rechtskräftig verurteilt - wegen juristischen Formfehlern. Die Opfer fühlen sich vom Rechtsstaat alleingelassen.
Montag, 04.05.2020, 5:22 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 11.07.2023, 10:33 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
Der Prozess um einen brutalen Neonazi-Überfall auf eine Kirmesgesellschaft im thüringischen Ballstädt vor sechs Jahren muss neu aufgerollt werden. Der Bundesgerichtshof habe das Urteil gegen zehn Neonazis vom Mai 2017 jetzt aufgehoben, teilten die Opferberatung Ezra und Vertreter der Nebenklage am Wochenende in Erfurt mit. Das Gericht habe zwar keine Zweifel an der Schuld der Angeklagten, bemängele aber Formfehler des Landgerichts Erfurt. Opfervertreter und die Linke mahnten eine rasche Neuaufnahme des Prozesses an. Die Opfer lebten bis heute in Angst.
Bei dem Überfall in der Nacht zum 9. Februar 2014 im Landkreis Gotha erlitten zehn Menschen zum Teil schwere Verletzungen. Das Erfurter Landgericht verurteilte im Mai 2017 zehn von 15 Angeklagten zu mehrjährigen Haftstrafen. Die Höhe der Haftstrafen betrug bis zu drei Jahren und sechs Monaten. Eine Strafe wurde zur Bewährung ausgesetzt. Für vier Angeklagte endete das Verfahren mit einem Freispruch.
Die Revision des Verurteilten beim Bundesgerichtshof führte nach drei Jahren nun offenbar zum Erfolg. Laut Opfervertretern wurde das Urteil wegen Formfehlern aufgehoben und zur erneuten Verhandlung an eine andere Kammer zurückverwiesen. So habe der BGH bemängelt, dass ein der Verurteilung zugrundeliegendes DNA-Gutachten nicht ausführlich genug zitiert wurde. Auch sei zu unsauber dargestellt, weshalb belastenden Angaben eines Mitangeklagten besondere Glaubwürdigkeit zugesprochen wurde.
Opfervertreter fordern rasche Neuaufnahme des Prozesses
Robert Friedrich, Berater von Ezra, kritisiert, dass die Betroffenen nach über sechs Jahren „immer noch nicht abschließen“ können und „die Belastungen eines Gerichtsverfahrens erneut ertragen“ müssen. Die Angst vor den Tätern bleibe. Diese wohnten zum Teil in direkter Nachbarschaft. „Die Enttäuschung über die Justiz ist groß. Die Angegriffenen fühlen sich vom Rechtsstaat alleine gelassen“, erklärt Friedrich. Im ersten Prozess waren die Betroffenen mit 15 Angeklagten konfrontiert, die laut Ezra „tief in der organisierten, militanten Neonazi-Szene verwurzelt sind und selbstbewusst und bedrohlich auftraten“.
Friedrich weiter: „Die bisherige Straffreiheit der Täter bleibt insbesondere für die Betroffenen absolut unverständlich, weil auch der Bundesgerichtshof an deren Schuld keine Zweifel hat. Aber auch der BGH muss sich fragen lassen, warum die Richter fast drei Jahre brauchten, um einen Beschluss zu fassen.“ Das Signal an die Täter und an die gesamte Neonazi-Szene sei fatal. Ezra fordert wie die Nebenklagevertreter und die Linken-Bundestagsabgeordnete Martina Renner eine rasche Neuaufnahme des Prozesses. (epd/mig) Aktuell Recht
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