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MiGAZIN Kolumnist Sven Bensmann © privat, Zeichnung MiG

Nebenan

Die Ossifizierung der Republik

Lobbyismus funktioniert - in der Bundesliga. Lobbyismus funktioniert nicht - ausgerechnet beim Eishockey. Aber egal: die AfD schmilzt dahin. Dank Corona ist jetzt nämlich Sachlichkeit gefragt - Populismus funktioniert nicht.

Von Dienstag, 19.05.2020, 5:23 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 17.05.2020, 22:59 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Vielleicht so sehr wie noch nie können dieser Tage viele Deutsche nachvollziehen, wie es sich als Ossi wohl täglich fühlt. Denn so fremdbestimmt wie dieser Tage waren wir wohl seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr: Weil die CDU ihre Kanzlerkandidaten Laschet und Söder unterstützen will und die beiden dann auch noch den beiden größten Bundesländern entstammen, werden die Interessen dieser beiden derzeit weit über die aller anderen gehängt.

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Weil in beiden Ländern die Automobilwirtschaft bestimmende Wirtschaftsfaktoren sind, hat es jetzt mal wieder Abwrackprämien zu geben. Dass Thüringen, Schleswig-Holstein oder Bremen davon praktisch nichts haben: geschenkt. Dass ein Auto, dass man heute nicht kauft, spätestens in einem halben Jahr ersetzt wird, also wohl kaum insgesamt weniger Autos verkauft werden dürften: auch egal. Dass andererseits der Urlaub an der See oder im Harz einfach ausfallen und eben nicht beliebig verschoben werden können: Hilfen für die touristischen Kleingewerbe sind deshalb nicht gleich eine Priorität. Lobbyismus funktioniert.

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Die Bayern wollen ihre Meisterschaft zu Ende spielen und Dortmunder fürchten um den Aktienkurs? Gut, dass Laschet und Söder zur Stelle sind. Während die Lockdown-Maßnahmen für alle weiter gelten, darf König Fußball wieder ran. Opium für’s Volk, selbst wenn sich das schon vor dem Spieltag mehrheitlich dagegen ausgesprochen hatte – und ganz Gelsenkirchen sich dieser Meinung mittlerweile angeschlossen haben dürfte. Geld muss halt verdient werden.

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Dass man deswegen auch andere Sportler wieder ran lässt, wird ja sicher keiner verlangen. Und wenn man(n) die Regeln nur clever genug zusammenschreibt, dann kann auch niemand von Sexismus schreiben, nur weil der Frauenfußball unmöglich die Kriterien erfüllen kann, die für den Männerfußball geschrieben wurden. Und überhaupt: Eishockey, in dem man sich im Gegensatz zum Fußball nie direkt berührt oder Leichtathletik, die normalerweise ganz ohne Kontakt auskommt, oder auch Tennis, Tischtennis, Handball muss man doch nicht den Betrieb wieder aufnehmen lassen, nur weil wieder der Fußball spielt. Quod licet Iovi, non licet bovi. Lobbyismus funktioniert.

Da passt es dann auch ins Bild, dass der Trend dafür spricht, dass immer mehr Wessis der Fraktion der Aluhut-Träger beitreten, die in der öffentlichen Wahrnehmung bisher vornehmlich ostdeutschen AfD-Funktionären und Xavier Naidoo vorbehalten war. Laschet und Söder ausgeliefert zu sein, ist der mentalen Gesundheit eben nicht gerade zuträglich.

Das ausgerechnet jetzt die AfD auseinanderzubrechen droht, weil die Rechtsextremen, die gerade soviel Fassade aufrechterhalten wollen, um dem Verfassungsschutz zu entgehen und den Neonazis, für die die Mitgliedschaft in einer Neonazi-Organisation, die wegen Verfassungsfeindlichkeit verboten wurde und die auf einer Unvereinbarkeitsliste der AfD steht,  kein Grund zum Parteiausschluss ist,  ist natürlich tragisch. Zumal die Zustimmung der Partei derzeit schon wegen sachpolitischer Unfähigkeit dahinschmilzt: Vielen wird derzeit klar, dass die Wissenschaftsaversion der AfD und ihr ignoranter Populismus spätestens dann, wenn die Krise tatsächlich da ist, nicht unbedingt dazu taugt, hilfreiche Antworten auf diese zu liefern.

Aber Hauptsache es ist Bundesliga. Und keiner geht hin. Meinung

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