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Buchtipp zum Wochenende

Müller: Unser Wohlstand ist in Teilen auf Ausbeutung aufgebaut

Entwicklungsminister Gerd Müller appelliert in seinem neuen Buch "Umdenken" an die Verantwortung der Verbraucher. Wer Bananen für unter ein Euro das Kilo kaufe, nehme Kinderarbeit auf den Plantagen in Kauf.

Freitag, 29.05.2020, 5:21 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 28.05.2020, 17:28 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Der Wohlstand in Deutschland ist nach Worten von Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) in Teilen „auf der Ausbeutung von Mensch und Natur in den Entwicklungsländern aufgebaut“. Der Minister appelliert in seinem neuen Buch „Umdenken. Überlebensfragen der Menschheit“ an die Verantwortung aller. „Es ist unbegreiflich, dass heute noch Hunderttausende von Kindern beispielsweise auf den Kaffee- und Kakaoplantagen Westafrikas für unseren Wohlstand in Europa schuften, ohne von der Arbeit angemessen leben zu können.“ Müller verweist auf eine Untersuchung der Regensburger Universität und sagt: „Es sind 50 Sklaven pro Kopf, die für unseren Wohlstand arbeiten.“

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Der Minister erklärt, dass bei herkömmlichem Kaffee, der in Deutschland verkauft werde, nur etwa fünf bis acht Prozent des Endpreises beim Bauern vor Ort ankämen. „Wir zahlen acht oder zehn Euro für das Kilo Kaffee in Berlin oder München, davon bleiben nur etwa 50 Cent für das Rohprodukt vor Ort für die Familien auf den Plantagen. Die Kinder müssen mitarbeiten, damit überhaupt ein existenzsicherndes Einkommen für die Familien erzielt werden kann.“

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Dazu trage auch die Kaffeesteuer in Deutschland bei: „Heute nimmt der Finanzminister mehr als eine Milliarde Euro aus der Kaffeesteuer ein.“ Als Sofortmaßnahme müsse die Kaffeesteuer für jene Sorten wegfallen, die fair gehandelt seien, fordert Müller.

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Ein „Weiter so“ nicht mehr möglich

Auch Verbraucher sollten Verantwortung übernehmen: „Wer zum Beispiel Bananen für unter einem Euro das Kilo kauft, nimmt Kinderarbeit auf den Plantagen in Kauf. Fragen Sie nach, greifen Sie nach zertifizierter Ware.“ Die öffentliche Hand müsse dabei vorangehen und „ihre enorme Marktmacht nutzen, um fairen Einkauf zur Grundlage öffentlicher Beschaffung zu machen: in den Kommunen, Krankenhäusern, Schulen bis hin zu den Ministerien“.

Ein Lieferkettengesetz in Deutschland und in Europa müsse den verbindlichen Standard für alle festlegen. „Kaffee, Kakao und andere Produkte, die ihren Ursprung in den Entwicklungsländern haben, sollten nur dann auf unseren Märkten verkauft werden dürfen, wenn soziale Mindeststandards bei der Entlohnung beachtet wurden.“ Müller warnt: Ein „Weiter so“ wie bisher sei angesichts des Bevölkerungswachstums in den Entwicklungs- und Schwellenländern nicht mehr möglich. „Tragen wir nicht zur Problemlösung in anderen Regionen der Welt bei, werden die Probleme zu uns kommen“, betont er.

Müller wirbt für Lieferkettengesetz

Müller schreibt auch über seine eigene Kindheit im bayerisch-schwäbischen Krumbach: „Ich stamme aus einer Bauernfamilie in Schwaben. Dort bin ich mit drei Geschwistern aufgewachsen. Im Sommer haben alle bei der Landarbeit mitgeholfen, auch bei den Nachbarn, wenn es notwendig war.“ Aus Respekt vor dem Arbeitspensum, das sein Vater und seine Mutter auf dem Hof bewältigt hätten, vermeide er bis heute das Wort Stress.

Der Minister hat am Mittwoch im Bundestag um Unterstützung für ein Lieferkettengesetz geworben. Am Freitag endeten Befragungen deutscher Unternehmen zur Einhaltung der menschenrechtlichen Standards bei der Produktion im Ausland, sagte Müller bei einer einstündigen Befragung der Regierung am Mittwoch im Bundestag. Es gebe voraussichtlich eine Beteiligung von nur 30 Prozent mit einem unbefriedigenden Ergebnis. Bestätige sich dies nach der Auswertung, „werden wir ein Lieferkettengesetz vorlegen“. Müller betonte: „Es kann nicht akzeptiert werden, dass Kinderarbeit in unseren Produkten steckt.“ (epd/mig) Aktuell Feuilleton

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  1. Gerrit sagt:

    RECHT hat er – mehr kann man dazu eigentlich nicht sagen.

    Außer vielleicht die Frage: Wann lernen wir endlich etwas daraus?

    Die Flüchtlingssituation aktuell ist eine Folge dieser Ausbeutung.

    Und wann lernt die Politik, auch an anderen Stellschrauben zu drehen, z.B. keine AufstockerInnen mehr, keine prekären Beschäftigungsverhältnisse und ein vernünftiger Mindestlohn … einfach damit viele nicht mehr die billigen Bananen oder Textilien kaufen müssen. Umfangreiche Aufklärungsarbeit hier vor Ort, um den Menschen zu verdeutlichen, was mit diesem „Geiz ist geil“ angerichtet wird. Wertschätzung für Lebensmittel !!! ALLE müssen zwei Gänge zurückschalten. Es geht uns dann trotzdem nicht schlechter !!!

    Discounterketten müssen „an die Kette gelegt werden“, damit über deren Preispolitik und Abnahmemacht nicht Erzeuger (auch im Inland) gnadenlos drangsaliert werden. Viele Stellschrauben … um nachhaltig Änderungen zu bewirken.

    Die Menschheit weltweit ist auf keinem guten Weg. Wachstum ohne Ende gibt es nicht (…alles ist endlich)!