"Grundrauschen der Ausgrenzung"
Antidiskriminierungsstelle zählt mehr Beschwerden wegen Rassismus
Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes verzeichnet eine Zunahme der Beschwerden wegen Alltagsrassismus. Sie sind die häufigste Form der bei der Stelle erfassten Benachteiligungen. Es müsse mehr dagegen getan werden, fordert der Leiter Franke.
Von Bettina Markmeyer Mittwoch, 10.06.2020, 5:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 09.06.2020, 16:47 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Eine Chinesin, die in Corona-Zeiten beim Arzt keinen Termin bekommt – ein Syrer auf vergeblicher Wohnungssuche, weil ein Vermieter „keine Kanaken“ will. Diese Menschen haben die Antidiskriminierungsstelle des Bundes um Hilfe gebeten. Sie sind zwei von vielen, wie aus dem Jahresbericht der Stelle hervorgeht, der am Dienstag in Berlin vorgestellt wurde. Jeder Dritte beschwerte sich 2019 wegen ethnischer Diskriminierung. Der kommissarische Leiter Bernhard Franke, ein üblicherweise zurückhaltender Jurist, fand klare Worte: „Deutschland muss mehr tun gegen rassistische Diskriminierung.“ Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) erklärte, die gesamte Gesellschaft müsse aufwachen und wachsam sein.
Franke forderte die Bundesregierung auf, eine Reform des Gleichbehandlungsrechts auf die Tagesordnung des jüngst eingerichteten Kabinettsausschusses zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Rassismus zu setzen. Auch gegenüber Behörden und der Polizei müssten Menschen gegen Diskriminierung geschützt werden. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), das die Arbeitsgrundlage der Antidiskriminierungsstelle ist, umfasst das staatliche Handeln nicht. Die Stelle kann nur eingreifen, wenn sich Menschen über verbotene Benachteiligung im Arbeitsleben und Alltag beschweren, etwa bei der Job- und Wohnungssuche, beim Disco- oder Arztbesuch oder weil Geschäfte oder Urlaubsziele nicht barrierefrei sind.
Franke für unabhängige Beschwerdestellen
Mit Blick auf die Debatte um rassistische Tendenzen bei der Polizei unterstützte Franke die Forderung der SPD-Vorsitzenden Saskia Esken sowie von Linken- und Grünen-Politikern nach unabhängigen Beschwerdestellen, wandte sich aber gegen eine zentrale Anlaufstelle. Da für die Polizei die Länder zuständig sind, könnten Landesdiskriminierungsstellen diese Aufgabe übernehmen, sagte Franke. Solche Stellen gebe es aber erst in acht Bundesländern.
Bei der Antidiskriminierungsstelle des Bundes nehmen Beschwerden wegen rassistischer Diskriminierung am stärksten zu. Dem Jahresbericht 2019 zufolge wandten sich 1.176 Mal Menschen an die Beratung, weil sie sich im Arbeitsleben oder bei Alltagsgeschäften wegen ihrer ethnischen Herkunft diskriminiert fühlten. Das sind zehn Prozent mehr als im Vorjahr. Die Zahlen würfen „ein Schlaglicht auf die Diskriminierung in Deutschland“, seien aber nicht repräsentativ, sagte Franke. Nur ein Teil der Menschen wenden sich an die Stelle, wenn sie schlechte Erfahrungen gemacht haben. Fälle rassistischer Gewalt tauchen bei der Antidiskriminierungsstelle in der Regel gar nicht auf. Franke sprach vom „Grundrauschen der Ausgrenzung: Was wir aufnehmen, sind Versuche, Menschen auszusortieren.“
Jede dritte Beschwerde wegen rassistischer Diskriminierung
Die Beschwerden wegen rassistischer Diskriminierung umfassen inzwischen ein Drittel aller Fälle, 2016 lag ihr Anteil noch bei einem Viertel. Dem Jahresbericht zufolge hat die Antidiskriminierungsstelle 2019 insgesamt in 3.580 Fällen eine rechtliche Auskunft erteilt. Die Gesamtzahl der Beratungsanfragen stieg gegenüber dem Vorjahr um knapp vier Prozent.
Nach den am häufigsten gestellten Anfragen wegen ethnischer Diskriminierung (33 Prozent) folgen Beschwerden aufgrund von Benachteiligungen wegen des Geschlechts (29 Prozent), einer Behinderung (26 Prozent), des Alters (12 Prozent), der Religion (7 Prozent) oder der sexuellen Identität (4 Prozent).
Hofreiter: AGG reicht nicht
Familienministerin Giffey erklärte, jeder Einzelne müsse gegen Ausgrenzung, Benachteiligung und Fremdenhass eintreten. Es gehe aber nicht nur um Rassismus. Täglich würden Menschen auch wegen ihres Geschlechts, ihrer Religion oder einer Behinderung benachteiligt. Der Grünen-Fraktionsvorsitzende Anton Hofreiter unterstrich die Forderung nach einem unabhängigen Polizeibeauftragten und unterstützte die Forderung Frankes nach einer Gesetzesreform. Das Gleichbehandlungsgesetz reiche nicht aus, um Diskriminierung wirkungsvoll zu bekämpfen, sagte er.
An die 2006 eingerichtete Antidiskriminierungsstelle des Bundes können sich alle Bürgerinnen und Bürger wenden, die mit Diskriminierung konfrontiert werden. Die Fälle werden auf der Grundlage des Gleichbehandlungsgesetzes überprüft. Die Stelle berichtet jedes Jahr an den Bundestag, zum zweiten Mal gibt sie einen Jahresbericht heraus. (epd/mig) Leitartikel Panorama
Wir informieren täglich über das Wichtigste zu Migration, Integration und Rassismus. Dafür wurde MiGAZIN mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet. Unterstüzte diese Arbeit und verpasse nichts mehr: Werde jetzt Mitglied.
MiGGLIED WERDEN- Fachkräftemangel vs. Abschiebung Pflegeheim wehrt sich gegen Ausweisung seiner Pfleger
- Nach Budget-Halbierung Regierungsbeauftragter für Reform der Integrationskurse
- „Diskriminierend und rassistisch“ Thüringer Aktion will Bezahlkarte für Geflüchtete aushebeln
- „Hölle“ nach Trump-Sieg Massenabschiebungen in den USA sollen Realität werden
- Verwaltungsgerichtshof Nürnberg muss Allianz gegen rechts verlassen
- Ein Jahr Fachkräftegesetz Bundesregierung sieht Erfolg bei Einwanderung von…
Für diesen aktuellen Zustand sind in Deutschland neben der seit Jahrzehnten existenten Ignoranz-Politik hauptsächlich auch die bezüglich des Themas „Rassismus in Deutschland“ selektiv, oberflächlich oder meist gar nicht berichtenden gerne auch Themen solcher Art todschweigenden deutschen Medien verantwortlich mit dem Ergebnis, dass viele deutsche Bürger nichts über rassitische Ereignisse bzw. Entwicklungen wissen. Man betrachte Mal nur den deutschen Floyd-Fall aus dem Jahr 2017, wo der türkische Familienvater Savas Kabasakal von der Polizei totgeprügelt wurde und die Polizisten frei von jeglicher Schuld gesprochen wurden. Wer weiß davon in Deutschland? keiner? Warum nicht. Wer weiß, dass die türkischestämmige Miss Germany 2005 als Kind mit ansehen musste, wie ihr Vater vor ihren Augen von einem Nazi aus rassistischen Motiven erschossen wurde? Warum lesen wir die nahezu täglichen Anschläge auf Moscheen in Deutschland ausschließlich in türkischen Medien und dann allerhöchstens1 x jährlich als BKA-Statistik. Deutschland ist bezüglich Anzahl von Anschlägen auf Moscheen Weltmeister! Wen interessierts? Warum auch bei den NSU-Serienmorden eine investigative Untatätigkeit deutscher journalisten? Kaum ein Deutscher weiß, dass die Hintermänner im NSU-Skandal belastenden Beweise im Rechtsstaat Bundesrepublik Deutschland zu Staatsgeheimnissen proklamiert und für 120 Jahre weggesperrt wurden. In den letzten Jahren und Jahrzehnten mussten in Deutschland lebende Türken die rassistisch motivierten Neonazi-Brandanschläge mit ermordeteten türkischen Frauen und Kindern in Mölln, Solingen, Ludwigshafen ertragen, rassistisch motivierte Bomben-Anschläge wie in Köln-Keupstrasse erdulden, die durch staatliches Wegschauen ermöglichten und mehr vertuscht als aufgeklärten NSU-Serienmorde seelisch aushalten, die täglichen Anschläge auf Moscheen mit einer gen Null tendierenden Aufklärungsquote hinnehmen….und vieles mehr über sich seelisch ergehen lassen, wo dann bei jeder Anmerkung oder Kritik sofort ein…“Dann geht doch in die Türkei“ kam und kommt. Aber das schlimmste sind die besagten selektiven oder meist nicht stattfindenden Berichterstattungen über solche rassistischen Ereignisse wo dann aber die deutsche Leserschaft nahezu täglich in besserwisserisch belehrendem Tonfall mit meist im Konjunktiv verfassten Erdogan-Bashing-Nachrichten versorgt wird statt vor die eigenen Füße schauend solche auf Rassismus beruhenden realexistenten Missstände in Deutschland aufzuzeigen. Diese Haltung deutscher Medien mit dem Ziel einer gezielten Desinformation der deutschen Bürger schmerzt mindestens genauso intensiv wie das seelische Ertragen-Müssen all der besagten rassistischen Ereignisse.