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Bundesinnenministerium

Absage „Racial Profiling“-Studie erntet Kritik und Häme

Die Kritik an der Entscheidung von Bundesinnenminister Horst Seehofer, die angekündigte Studie über „Racial Profiling“ bei der Polizei wieder abzusagen, reißt nicht ab. Jetzt hat sich auch die Antidiskriminierungsstelle des Bundes eingeschaltet – und fordert eine Untersuchung.

Dienstag, 07.07.2020, 5:24 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 07.07.2020, 13:07 Uhr Lesedauer: 2 Minuten  |  

Das Thema Racial Profiling bei der Polizei sorgt innerhalb der Bundesregierung für Zwist. Hintergrund ist ein im März veröffentlichter Bericht der Europäischen Kommission gegen Rassismus und Intoleranz, der Deutschland nahelegt, eine Studie zu möglicherweise diskriminierenden Fahndungsmethoden bei den Sicherheitskräften zu erstellen.

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Während Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) zunächst andere Maßnahmen im Kampf gegen Rechtsextremismus umsetzen will, plädierte Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) für eine solche Erhebung. Ihr Sprecher verwies am Montag in Berlin jedoch darauf, dass die Federführung beim Innenminister liege.

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Häme im Netz

Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums bekräftige am Montag, dass das Bundesinnenministerium und alle Geschäftsbereichsbehörden sich dazu bekennen, „gegen Rechtsextremismus, gegen Rassismus und ähnliche Tendenzen mit aller Kraft vorzugehen“. Eine Studie werde es aber nicht geben. Begründung: „Das sogenannte ‚Racial Profiling‘ ist unzulässig.“

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Diese Aussage führte in den sozialen Netzwerken zu hämischer Kritik. Linke-Bundestagsabgeordneter Niema Movassat schrieb im Kurznachrichtendienst Twitter: „Morgen verkündet Seehofer bestimmt, dass die Polizei abgeschafft wird. Schließlich sind Straftaten ja per Gesetz verboten, also muss man sie auch nicht untersuchen.“

Antidiskriminierungsstelle fordert Studie

Kritik erntete Seehofer auch von der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS). „Der Bundesinnenminister vergibt damit eine wichtige Chance, entsprechende Fälle in der Polizei auszuwerten und Grundlagenforschung zu betreiben“, erklärte der kommissarische Leiter, Bernhard Franke. „Die Behauptung, es gibt die Praxis praktisch nicht und sie müsse deshalb auch nicht weiter erforscht werden, ist wenig stichhaltig – auch weil es in Deutschland keine flächendeckenden Beschwerdestrukturen wie unabhängige Polizeibeauftragte gibt.“

Franke bot an, die „unabhängige Antidiskriminierungsstelle“ stehe bereit, eine solche Studie auf den Weg zu bringen – vorausgesetzt, die Bundesregierung stelle die finanziellen Mittel bereit und einen vollumfänglichen Zugang zur Polizei in Bund und Ländern sicher. Er kündigte Gespräche mit den zuständigen Ministerien an.

Racial Profiling – ein altbekanntes Problem

Dem Ministeriumssprecher zufolge will Seehofer statt einer Studie zunächst andere, bereits geplante Maßnahmen gegen Rassismus und Rechtsextremismus umsetzen. Der Sprecher wies auf das Vorhaben hin, zur Aufklärung rechtsextremistischer Aktivitäten im öffentlichen Dienst eine Zentralstelle beim Bundesamt für Verfassungsschutz einzurichten. Ein Lagebild zu dem Thema solle im Herbst vorgelegt werden.

Als „Racial Profiling“ wird bezeichnet, wenn Menschen allein wegen ihrer Hautfarbe oder anderer äußerer Merkmale ins Visier der Polizei geraten, verdächtigt oder kontrolliert werden. Die Praxis ist als diskriminierend geächtet, auch in Deutschland. Dennoch berichten Betroffene immer wieder, dass sie etwa als einziger Schwarzer unter mehreren Menschen von der Polizei kontrolliert wurden. Das Deutsche Institut für Menschenrechte und Amnesty International fordern Gesetzesänderungen. Deutsche Gerichte haben das „Racial Profiling“ in zahlreichen Entscheidungen festgestellt und immer wieder verurteilt. (epd/mig) Aktuell Politik

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