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NSU 2.0

Hessischer Innenminister schließt rechtes Netzwerk in der Polizei nicht mehr aus

Der hessische Innenminister Beuth schließt ein rechtes Netzwerk in der Polizei des Bundeslandes nicht mehr aus. Drohungen gegen eine Politikerin und eine Juristin stehen offenbar in Verbindung mit Datenabfragen aus Polizeicomputern "NSU 2.0"-Drohmails an NSU-Opferanwältin und Linkspolitiker.

Freitag, 10.07.2020, 5:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 09.07.2020, 20:40 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Die Affäre um Drohmails an die hessische Linken-Politikerin Janine Wissler wird zu einem Polizeiskandal. Innenminister Peter Beuth (CDU) bestätigte am Donnerstag in Wiesbaden, dass die Fraktionschefin der Linken im hessischen Landtag am Sonntag und Montag zwei weitere mit „NSU 2.0“ gezeichnete Drohmails mutmaßlicher Rechtsextremisten bekommen hat. Persönliche Informationen über die Politikerin waren zuvor aus einem Wiesbadener Polizeicomputer abgerufen worden. Beuth äußerte sich verärgert, dass ihn das Landeskriminalamt (LKA) bis Mittwoch nicht darüber informiert hatte.

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Der wegen des nicht dienstlichen Abrufs der Informationen verhörte Beamte sei als nicht dringend tatverdächtig und als Zeuge eingestuft worden. Das LKA habe nicht die in dem Fall erforderliche Sensibilität gezeigt, kritisierte Beuth. Der Vorgang nähre den Verdacht, dass es in der hessischen Polizei ein rechtes Netzwerk gibt. Zwar habe er dafür bislang keine konkreten Hinweise, sagte der Minister, fügte aber hinzu: „Dieser Verdacht wiegt schwer. Ich erwarte von der hessischen Polizei, dass sie nichts unversucht lässt, diesen Verdacht zu entkräften.“

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Beamter vernommen – keine Durchsuchung

Um die Urheber der Todesdrohungen gegen Wissler und die Frankfurter Rechtsanwältin Seda Başay-Yıldız zu finden, setzte der Minister einen Sonderermittler ein, der direkt an den Landespolizeipräsidenten berichten soll. Wie der „Spiegel“ berichtet, konnte im Fall Wissler inzwischen ein Wiesbadener Beamter ermittelt werden, unter dessen persönlicher Kennung im Februar Wisslers Privatdaten aus einem amtlichen Verzeichnis abgerufen wurde. Der Polizist sei vernommen worden. Er habe die Abfrage aber bestritten. Eine Durchsuchung der privaten Datenträger des Wiesbadener Beamten habe nicht stattgefunden. In Zukunft sollen aber die Richtlinien für das Abrufen personenbezogener Informationen weiter verschärft und ohne dienstlichen Anlass unterbunden werden.

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Die Landtagsfraktion der Linken hatte mitgeteilt, dass Wissler erneut zwei Todesdrohungen offenbar rechtsextremistischer Kreise bekommen hat. Nach Angaben des Innenministers ging eine dieser Mails auch an Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) sowie an Beuth selbst. Beide Politiker hatten am Samstag Wissler persönlich gesprochen und ihr das Bemühen um schnelle Aufklärung versichert. Wie es hieß, sollen Bouffier und Beuth in einer der Mails auch persönlich genannt worden sein. Die Drohschreiben seien auch im Maileingang anderer hessischer Politiker und Parteien gelandet.

Drohmails mit persönlichen Informationen

Nach Angaben der Linksfraktion enthielten auch die beiden neuen Drohschreiben wieder persönliche Informationen über Wissler, die öffentlich nicht zugänglich sind. Ebenso war es im Februar bei den beiden ersten Mails an die Politikerin, die auch stellvertretende Bundesvorsitzende der Linkspartei ist.

Persönliche Informationen waren auch in den ebenfalls mit „NSU 2.0“ gezeichneten Drohmails an die Anwältin Başay-Yıldız im Jahr 2018 enthalten. Damals hatte sich herausgestellt, dass die Daten ohne dienstlichen Anlass aus dem Polizeicomputer in einem Frankfurter Revier angerufen worden waren, in dem später mehrere Beamte als Teilnehmer einer rechtsextremistischen Chatgruppe suspendiert wurden.

NSU-Akten für 120 Jahre weggesperrt

Dass im Fall Wissler die Daten jetzt bei der Wiesbadener Polizei abgerufen wurden, nährt nach Ansicht des Linken-Abgeordneten Hermann Schaus den Verdacht, dass „das rechte Netzwerk in der hessischen Polizei größer als bisher von offizieller Seite eingeräumt“ ist. Die beiden neuen Drohmails trafen kurz nach den Veröffentlichungen über die ersten an Wissler aus dem Februar ein. Nach Bekanntwerden der ersten Drohmails hatten sich die Fraktionsvorsitzenden von CDU, SPD, Grünen und FDP im Landtag in einer gemeinsamen Erklärung mit Wissler solidarisiert.

Hessen Ministerpräsident Bouffier hatte im Kontext des Terrorkomplexes um den „Nationalsozialistischen Untergrund“ Akten für 120 Jahre als Verschlusssache wegsperren lassen. Seitdem steht er in der Kritik, die Aufklärung des NSU-Komplexes zu behindern. Beuth reagierte auf die Kritik mit der Ankündigung, die Frist auf 30 Jahre zu verkürzen. (epd/mig) Leitartikel Politik

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