Bundesgerichtshof
Ehe-Aufhebung von 16-Jährigen nicht immer möglich
Eine im Ausland geschlossene Ehe mit einer 16-Jährigen kann nicht immer aufgehoben werden. Das hat der Bundesgerichtshof im Fall eines libanesischen Paares entschieden, das nach der Eheschließung viele Jahre zusammengelebt und vier Kinder gezeugt haben.
Montag, 17.08.2020, 5:20 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 16.08.2020, 16:13 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
Eine im Ausland geschlossene Ehe mit einer 16-Jährigen kann von deutschen Behörden nicht ohne weiteres aufgehoben werden. Lebt die Jugendliche nach ihrer Eheschließung und nach Erreichen ihrer Volljährigkeit mit ihrem Ehemann viele Jahre in Deutschland, spricht dies dafür, dass sie die Ehe auch weiter gewünscht hat, entschied der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe in einem am Freitag veröffentlichten Beschluss. (AZ: XII ZB 131/20)
Zum 22. Juli 2017 hat der Gesetzgeber festgelegt, dass im Ausland geschlossene Kinderehen in Deutschland nicht gelten. Danach sind Ehen, bei denen ein Ehepartner zum Zeitpunkt der Heirat unter 16 Jahre alt ist, generell unwirksam. Bei einer Eheschließung zwischen dem 16. und 18. Lebensjahr „kann“ nach diesem Gesetz die Ehe wieder aufgehoben werden. Eine Aufhebung durch ein Gericht ist dann aber ausgeschlossen, wenn klar ist, dass der minderjährige Ehegatte nach Erreichen seiner Volljährigkeit die Ehe fortsetzen will.
Im Streitfall hatte ein aus dem Libanon stammendes muslimisches Paar 2001 geheiratet. Zur Hochzeit war der Mann 21 und die Frau 16 Jahre alt. Nach ihrer Einreise in Deutschland lebte das Paar über 13 Jahre zusammen und bekam vier Kinder. Danach trennte sie sich von ihrem Mann und lebte mit ihrem neuen Lebensgefährten zusammen. Im Zuge einer standesamtlichen Beurkundung teilte die Frau auf Nachfrage der Standesbeamtin mit, dass sie ihre Ehe nicht fortsetzen wolle. Daraufhin beantragte die Behörde beim Amtsgericht die Aufhebung der Ehe. Die Ehefrau sei bei der Eheschließung minderjährig gewesen, lautete die Begründung.
BGH: Ehe kann aufgehoben werden, muss aber nicht
Doch das muss noch kein Grund zur Aufhebung der Ehe sein, befand der BGH. Nach dem Gesetz „kann“ die Ehe aufgehoben werden, wenn ein Ehepartner zum Zeitpunkt der Eheschließung zwischen 16 und 18 Jahre alt ist. Letztlich müsse ein Gericht entscheiden, ob hier die Ehe von der Frau auch nach ihrer Volljährigkeit noch gewollt war. Im Streitfall habe die Frau über 13 Jahre mit ihrem Ehemann zusammengelebt und vier Kinder gezeugt. Dies spreche dafür, dass die Ehe von der Frau gewollt war. Eine Aufhebung der Ehe, weil diese als 16-Jährige geschlossen wurde, sei dann nicht möglich. Um die Ehe zu beenden, könne die Frau sich nur noch scheiden lassen.
Die gesetzliche Regelung, wonach im Ausland geschlossene Ehen mit unter 16-jährigen Partnern, in Deutschland generell als unwirksam gelten, hielt der BGH in einem früheren Beschluss vom 14. Dezember 2018 für verfassungswidrig (AZ: XII ZB 292/16). Über das Verfahren will das Bundesverfassungsgericht noch dieses Jahr entscheiden (AZ: 1 BvL 7/18) (epd/mig) Aktuell Recht
Wir informieren täglich über das Wichtigste zu Migration, Integration und Rassismus. Dafür wurde MiGAZIN mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet. Unterstüzte diese Arbeit und verpasse nichts mehr: Werde jetzt Mitglied.
MiGGLIED WERDEN- Fachkräftemangel vs. Abschiebung Pflegeheim wehrt sich gegen Ausweisung seiner Pfleger
- „Diskriminierend und rassistisch“ Thüringer Aktion will Bezahlkarte für Geflüchtete aushebeln
- Verwaltungsgerichtshof Nürnberg muss Allianz gegen rechts verlassen
- Ein Jahr Fachkräftegesetz Bundesregierung sieht Erfolg bei Einwanderung von…
- Brandenburg Flüchtlingsrat: Minister schürt Hass gegen Ausländer
- Chronisch überlastet Flüchtlingsunterkunft: Hamburg weiter auf Zelte angewiesen