Theater-Studie
Türkeistämmige Bewerber werden häufiger eingeladen
Eine Studie über die Einstellungspraxis im Theater kommt zu einem überraschenden Ergebnis: Bewerber mit Migrationshintergrund werden häufiger eingeladen als Personen ohne Migrationshintergrund. Besonders beliebt sind türkische Bewerber.
Mittwoch, 26.08.2020, 5:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 26.08.2020, 12:20 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
Männer mit Migrationshintergrund und sexuelle Minderheiten werden bei Einstellungen am Theater tendenziell begünstigt. Das ist das Ergebnis einer am Dienstag veröffentlichten Studie des Institutes für Soziologie der Freien Universität Berlin.
Dazu wurden fingierte Bewerbungen für eine Hospitanz an 462 deutschsprachigen Theatern in Deutschland, Österreich und der Schweiz geschickt. Anschreiben und der Lebenslauf seien bei allen Bewerbungen bis auf zwei Charakteristika identisch gewesen. Variiert wurden die Herkunft und Namen der Bewerber (Deutschland, Frankreich, Türkei) sowie die Geschlechtsidentität der Bewerber (männlich, transgender).
Türkeistämmiger erhält meiste Einladungen
Die meisten Einladungen von den Bewerbern erhielt demnach nicht der Kandidat ohne Migrationshintergrund (26,4 Prozent). Vielmehr sei der türkischstämmige Bewerber (40,9 Prozent), gefolgt vom angeblich französischen Kandidaten (31,4 Prozent) deutlich häufiger zu einem Gespräch eingeladen worden.
Auch die häufig festgestellte Diskriminierung von Personen mit einer nicht-heterosexuellen Geschlechtsidentität gebe es am Theater offenbar nicht, hieß es weiter. So sei die fingierte Person mit transgeschlechtlicher Identität etwas häufiger zum Bewerbungsgespräch eingeladen worden als ihre männlichen Mitbewerber (plus drei Prozentpunkte).
Unterschiedliche Bewertungen
Laut Studienautoren erfahren demnach Männer mit Migrationshintergrund und Personen mit einer nicht-binären Geschlechteridentität am Theater im Vergleich zu männlichen Bewerbern eine Bevorteilung. Die Befunde der Studie lasse sich den Autoren zufolge unterschiedlich bewerten: „Betrachtet man das Theater als kritische Instanz der Beobachtung und Kommentierung gesellschaftlicher Entwicklungen und als Möglichkeitsraum der Umkehrung realer Verhältnisse, kann man das Ergebnis begrüßen“, erläutert Professor Jürgen Gerhards, Soziologe an der Freien Universität Berlin und Autor der Publikation.
Dies stehe im Gegensatz etwa zum Arbeits- und Wohnungsmarkt, wo diese Gruppen häufig diskriminiert werden. „Auf dem Arbeits- und Wohnungsmarkt werden diese Gruppen häufig diskriminiert, das belegen verschiedene Studien“, erklärt Gerhards weiter.
Diskriminierung bei der Rollenvergabe
Anders falle die Beurteilung der Studie hingegen aus, wenn man sich an den Antidiskriminierungsrichtlinien der Europäischen Union orientiere; denn die Studie zeige, dass im gesellschaftlichen Teilbereich des Theaters ebenfalls diskriminiert werde, nur eben mit umgekehrtem Vorzeichen.
Demgegenüber beschweren sich Schauspieler mit als ausländisch wahrgenommenen Aussehen immer wieder über benachteiligenden Strukturen im deutschen Theater und fehlende Diversität. Entweder würden sie auf bestimmte Rollen reduziert oder würden bei der Vergabe größerer Rollen nicht berücksichtigt. Dabei werde oft auf das Publikum verwiesen, das nicht irritiert werden dürfe. (epd/mig) Leitartikel Panorama
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