350 Gerettete auf Sea Watch
Vereinte Nationen fordern Öffnung von Häfen für Seenotretter
Der Hilferuf der "Louise Michel" wurde von den Behörden lange ignoriert, doch schließlich erreichten die italienische Küstenwache und auch die "Sea-Watch 4" das Seenotrettungsschiff. Doch das Bangen ist noch nicht vorbei.
Montag, 31.08.2020, 5:26 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 30.08.2020, 22:56 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Der Hilferuf des Seenotrettungsschiffs „Louise Michel“ im Mittelmeer wurde erhört: Nachdem die italienische Küstenwache am Samstagabend 49 Menschen von dem Rettungsschiff übernahm, wechselten später rund 150 weitere Gerettete auf die „Sea-Watch 4“. „Wir haben nun rund 350 Personen an Bord, die so schnell wie möglich in einem sicheren Hafen an Land gelassen werden müssen“, twitterte Sea-Watch. Das überwiegend aus kirchlichen Spenden finanzierte Rettungsschiff ist seit Mitte August auf seiner ersten Rettungsmission im Mittelmeer unterwegs. Zum Unterstützerbündnis gehören auch die rheinische, westfälische und lippische Landeskirche sowie einzelne Kirchengemeinden.
UN-Organisationen forderten am Samstag eine sichere Ausschiffung aller auf dem Mittelmeer festsitzenden Flüchtlinge und Migranten. Anrainerstaaten müssten ihre Häfen öffnen und die Menschen an Land gehen lassen, verlangten das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) und die Internationale Organisation für Migration (IOM) in Genf.
Der humanitäre Imperativ, Leben zu retten, dürfe nicht bestraft werden, hielten die Hilfswerke fest. Das UNHCR und die IOM nannten die „Sea-Watch 4“, die „Louise Michel“ sowie den Tanker „Maersk Etienne“, auf dem sich 27 Hilfsbedürftige befänden, darunter Kinder und eine schwangere Frau. Die Menschen harrten seit dem 5. August auf dem Tanker aus, hieß es. Zum Schutz vor der Corona-Pandemie hatten Anrainerstaaten des Mittelmeers die ohnehin restriktive Flüchtlings- und Migrationspolitik weiter verschärft. Häfen wurden selbst für Seenotrettungsschiffe gesperrt.
Besatzung und Überlebende erschöpft
Hannah Wallace Bowman, Sprecherin von „Ärzte ohne Grenzen“ und auf der „Sea-Watch 4“ im Einsatz, sagte dem „Evangelischen Pressedienst“, Besatzung und Überlebende an Bord des Schiffes seien völlig erschöpft. „Ärzte ohne Grenzen“ und Sea-Watch leisteten Nothilfe, wenn Staaten dies nicht tun. „Jetzt sind wir auf See gestrandet. Wir werden dafür bestraft, dass wir die Lücke gefüllt haben, welche die EU-Regierungen an der tödlichsten Seegrenze der Welt hinterlassen haben.“
Sea-Watch-Sprecher Chris Gordotzki sagte, zwei Crew-Mitglieder der „Louise Michel“ seien auf die „Sea-Watch 4“ gewechselt und würden dort aushelfen. Zum Schutz vor Corona seien die Menschen von der „Louise Michel“ auf einem separatem Deck untergebracht. Inzwischen verfüge das Schiff nicht mehr über ausreichend Kleidung für die geretteten Menschen.
Zehn Besatzungsmitglieder, 200 Gerettete
Die zehn Besatzungsmitglieder der „Louise Michel“ kümmerten sich nach mehreren Rettungsaktionen vorübergehend um mehr als 200 Menschen, auch ein Toter wurde geborgen. Das Schiff war nach eigenen Angaben manövrierunfähig und setzte einen Hilferuf ab, der zunächst verhallte. Die italienische Küstenwache übernahm nach Angaben von Sea-Watch schließlich vor allem Frauen und Familien mit Kindern.
Die „Louise Michel“ hatte bei den zurückliegenden Rettungsaktionen der „Sea-Watch 4“ assistiert. Das Sea-Watch-Schiff wurde vom Bündnis „United4Rescue“ finanziert, das maßgeblich von der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) initiiert wurde, und ist seit Mitte August auf seiner ersten Rettungsmission im Mittelmeer unterwegs. Die zivile Seenotrettungsorganisation Sea-Watch betreibt das Schiff gemeinsam mit „Ärzte ohne Grenzen“ im Auftrag des Bündnisses.
Künstler Banksy kauft Schiff für Seenotrettung
Die „Louise Michel“ wird von dem britischen Street-Art-Künstler Banksy unterstützt. Er kaufte das frühere Schiff der französischen Marine für die Seenotrettung im Mittelmeer und bemalte es. Kapitänin der „Louise Michel“ ist Pia Klemp, die auch schon für Sea-Watch im Einsatz war.
Banksy veröffentlichte am Samstag auf Instagram ein kurzes Video, in dem er die Situation der Flüchtlinge auf dem Mittelmeer anprangert. „Wie die meisten Leute, die es in der Kunstwelt geschafft haben, habe ich eine Yacht gekauft, um auf dem Mittelmeer herumzufahren“, heißt es im Untertitel. Das Schiff sei in eine Rettungsboot umgebaut worden, weil die EU-Behörden die Notrufe von „Nicht-Europäern“ vorsätzlich ignorierten. (epd/mig) Leitartikel Panorama
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