Massive Anfeindungen
Helferin: Moria wird sich zu einem Gefängnis entwickeln
Seit Monaten arbeitet Flüchtlingshelferin Henrike Tipkämper auf Lesbos. Sie berichtet von wachsender Verzweiflung und massiven Anfeindungen gegenüber Flüchtlingen und Helfern.
Von Karsten Packeiser Montag, 14.09.2020, 5:20 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 13.09.2020, 13:40 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
Auf der griechischen Insel Lesbos schwindet bei Flüchtlingen und Nichtregierungsorganisationen die Hoffnung auf eine Evakuierung der Menschen aus dem abgebrannten Lager Moria. Nach dem angekündigten Wiederaufbau werde Moria sich in ein Gefängnis verwandeln, sagte die deutsche Flüchtlingshelferin Henrike Tipkämper dem „Evangelischen Pressedienst“. Die 25-jährige Mainzerin arbeitet bereits seit ihrem Studienabschluss im März in einem kleineren Flüchtlingscamp auf Lesbos.
Viele der Lagerbewohner von Moria hätten nach dem Feuer zunächst gehofft, ihnen werde nun geholfen. Inzwischen steige die Verzweiflung weiter. „Auch die Spannungen unter den Menschen werden größer“, berichtete die Flüchtlingsaktivistin. Die griechische Regierung habe nicht einmal eine Notversorgung der Flüchtlinge organisieren können, andere Helfer werden von Sicherheitskräften behindert. Zwar hätten die Bewohner in den intakten Lagern den ganzen Tag lang Essen für die Obdachlosen gekocht, aber Tipkämpers Organisation habe letztlich 1.500 Portionen mit Essen wegwerfen müssen, weil sie nicht zu den Hungernden vorgelassen worden sei.
Massive Anfeindungen
Freiwillige würden inzwischen massiv angefeindet. Sowohl Rechtsextreme, als auch Anwohner hätten Straßensperren errichtet. „Man muss aufpassen, welche Straße man nimmt“, sagte die Mainzerin. Schon in den Tagen vor dem Großbrand sei die Versorgung der Menschen nicht mehr sichergestellt gewesen, weil das Lager nach den ersten offiziellen Corona-Fällen unter strenge Quarantäne gestellt worden war. Für Helfer, die noch Essen verteilen konnten, sei die Lage immer prekärer geworden, weil die vorhandene Menge nicht für alle ausreichte.
Laut Tipkämper verlief auch die Evakuierung der unbegleiteten Minderjährigen von der Insel, die auf mehrere EU-Staaten verteilt werden sollen, nicht problemlos. Die Entscheidung sei sehr kurzfristig gefallen, manche der unter 18-jährigen Flüchtlinge hätten nicht rechtzeitig davon erfahren. „Mindestens 50 sind noch immer auf der Insel“, berichtete die Helferin. Da die nach den Bränden obdachlos gewordenen Menschen tagelang auf der Straße schlafen mussten, hätten alle nicht vom Feuer betroffenen Organisationen inzwischen ihre Kleidervorräte komplett unter den Flüchtlingen verteilt. Nachts werde es auch auf Lesbos bereits unangenehm kühl. (epd/mig) Aktuell Ausland
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