Moria
Druck für eine europäische Lösung wächst
In Deutschland ruft der politische Kompromiss zur Aufnahme weiterer Flüchtlinge aus Griechenland unterschiedliche Reaktionen hervor. Die einen sehen die Zahl von 1.550 Menschen als zu gering an. Die anderen wollen auf eine europäische Lösung setzen.
Donnerstag, 17.09.2020, 5:23 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 16.09.2020, 15:50 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Nach dem Brand im griechischen Flüchtlingslager Moria dringen Bundesregierung und EU-Kommission verstärkt auf eine europaweite Lösung in der Asyl- und Migrationspolitik. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) forderte am Mittwoch in Berlin erneut ein europäisches Asylsystem. Es solle an der Außengrenze entschieden werden, wer schutzbedürftig sei, anschließend sollten die Schutzbedürftigen verteilt werden, sagte Seehofer im Bundestag. Wenn nur die Schutzbedürftigen aufgenommen würden, könnten zwei Drittel der Asylbewerber schon nicht einreisen. „Und es ist ein Unterschied, ob ich eine Million in Europa zu verteilen habe oder zwei-, dreihunderttausend.“
Die EU-Kommission will am kommenden Mittwoch einen detaillierten Vorschlag zur künftigen Asyl- und Migrationspolitik vorstellen, wie EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen in Brüssel sagte. Sie forderte ein stärkeres Engagement der Mitgliedstaaten. Die Bilder des Flüchtlingslagers von Moria seien eine Mahnung für Europa, zusammenzukommen, sagte sie vor dem Europaparlament. „Jeder muss hier einen Schritt nach vorne machen und Verantwortung übernehmen.“ Die EU-Staaten streiten seit Jahren vor allem darüber, ob alle EU-Länder Flüchtlinge aufnehmen müssen.
Die Bundesregierung hatte am Dienstag angekündigt, 1.553 Menschen von den griechischen Inseln nach Deutschland zu holen. Laut Regierungssprecher Steffen Seibert handelt es sich um 408 Familien, die in Griechenland bereits als Schutzberechtigte anerkannt sind. Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums sagte am Mittwoch in Berlin, es gebe noch keinen konkreten Zeitplan für die Aufnahme der Menschen aus den Camps der griechischen Inseln. Es bestehe aber der Wunsch und das Bestreben, dies schnellstmöglich umzusetzen. Eine Delegation des Innenministeriums sei unterwegs nach Griechenland.
Geteilte Reaktionen
Die Aufnahme der rund 1.550 Flüchtlinge stieß auf geteilte Reaktionen. Der Präsident des Deutschen Städtetags, Burkhard Jung, sagte mit Blick auf die vielen Kommunen, die freiwillig die Aufnahme von Flüchtlingen angeboten hatten, er sei froh, dass Deutschland sich entschieden habe, allein mutig voranzugehen. „Auf die schon lange stockende Reform des europäischen Asylsystems zu warten, wäre ein Fehler gewesen“, sagte der Leipziger Oberbürgermeister den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
Der nordrhein-westfälische Integrationsminister Joachim Stamp (FDP) lehnte eine direkte Aufnahme von Flüchtlingen durch einzelne Bundesländer oder Kommunen ab. Dies müsse vom Bund koordiniert werden. „Wir werden die Flüchtlingspolitik in Deutschland nicht kommunalisieren und auch nicht regionalisieren können“, betonte er.
Pro Asyl: SPD eingeknickt
Der Parlamentarische Staatssekretär im Innenministerium, Stephan Mayer (CSU), erklärte in der „Passauer Neuen Presse“, man werbe „weiterhin auf allen Ebenen und aus voller Überzeugung für weitere Willige innerhalb der EU». Der Bundesregierung sei klar, dass es mehrere „Moria“ auf europäischem Boden gebe und „es ist ein Armutszeugnis, dass wir bisher für solche Fälle keine konsentierte EU-Lösung gefunden haben“.
Tausende Flüchtlinge „verbleiben in menschenunwürdiger Hoffnungslosigkeit ohne Perspektive auf Schutz“, protestierte die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl. „Das ist ein erbärmliches Signal für die Menschenrechte in Europa, die SPD ist eingeknickt“, erklärte am Mittwoch Geschäftsführer Günter Burkhardt. „Die Bundesregierung toleriert den Menschenrechtsbruch in Griechenland.“ Aktuell Politik
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