Schwere Vorwürfe
Journalisten: Polizei behindert Berichterstattung aus Moria
Auf Lesbos sehen sich Journalisten mit wechselnden Reaktionen der griechischen Polizei konfrontiert: Einige erhalten Zugang zum zerstörten Lager Moria oder zu den Flüchtlingen, anderen wird er verwehrt. Die Vorwürfe wiegen schwer.
Montag, 21.09.2020, 5:21 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 20.09.2020, 17:40 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
Journalistenverbände beklagen willkürliche und teils gewalttätige Einschränkungen der Pressefreiheit durch die griechische Polizei auf der Insel Lesbos. Seit gut einer Woche würden immer wieder Medienschaffende in ihrer Arbeit behindert, die nach der Zerstörung des Lagers Moria über die Situation der Flüchtlinge dort berichten wollten, teilte „Reporter ohne Grenzen“ am Freitag in Berlin mit. Auch der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) sprach von Behinderungen bei der Berichterstattung. Er forderte das Auswärtige Amt auf, sich im Rahmen der deutschen EU-Ratspräsidentschaft mit Nachdruck für die freie Berichterstattung aus Moria einzusetzen.
Einige Reporter hätten Zugang zu dem Bereich bekommen, in dem seit Tagen Tausende der ehemaligen Bewohner von Moria ausharrten, anderen sei der Zugang verwehrt worden, so „Reporter ohne Grenzen“. Dabei habe es entweder keine Begründung gegeben oder der Zutritt sei unter Berufung auf eine laufende Militäroperation verwehrt worden beziehungsweise auf Corona-Schutz-Bestimmungen.
„So chaotisch die Lage auf Lesbos nach den Bränden im Flüchtlingslager Moria auch sein mag, rechtfertigt das keine Polizeischikanen gegen Reporter“, erklärte der DJV-Bundesvorsitzende Frank Überall. Das Grundrecht der Pressefreiheit gelte auch auf Lesbos. „Wer in diesen Tagen bei uns über die Aufnahme von Flüchtlingen diskutiert, braucht aktuelle und unabhängige Informationen aus dem Hotspot des Elends. Berichterstattung darf nicht an Polizeiknüppeln scheitern.“ Die Flüchtlingskatastrophe von Moria habe zudem auch Auswirkungen auf die deutsche Innenpolitik.
Mihr: Polizei will Berichte über Umgang mit Flüchtlingen verhindern
Der Geschäftsführer von „Reporter ohne Grenzen“, Christian Mihr, sagte: „Die Strategie der griechischen Behörden ist eindeutig: Sie wollen Journalistinnen und Journalisten teils sogar unter Einsatz von Gewalt davon abhalten, über ihren Umgang mit der Krisensituation in Moria zu berichten.“
Das verletze nicht nur „das Recht der Medienschaffenden, die menschenunwürdigen Zustände dort frei zu dokumentieren und zu bewerten“, es schränke auch das Recht der internationalen Öffentlichkeit auf eine unabhängige Berichterstattung ein. Mihr forderte die griechische Regierung auf, dafür zu sorgen, dass sich Journalisten ungehindert ihr eigenes Bild von der Lage machen können.
Journalisten verurteilen Arbeitsbedingungen
In einem offenen Brief an die griechischen Behörden haben „Reporter ohne Grenzen“ sowie sechs weitere Pressefreiheitsorganisationen das Vorgehen der Polizei und die unsicheren Arbeitsbedingungen für Journalisten auf Lesbos als willkürlich verurteilt.
Die Organisationen berufen sich auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom Oktober 2019. Darin erklärt das Gericht, die Frage, wie Asylsuchende untergebracht werden und ob der Staat seinen internationalen Verpflichtungen ihnen gegenüber nachkommt, sei „unbestritten berichtenswert und von großer öffentlicher Bedeutung“. Geklagt hatte ein Journalist, dem im Jahr 2015 der Zutritt zu einem Flüchtlingsaufnahmezentrum in Ungarn verwehrt worden war.
Griechenland steht auf der Rangliste der Pressefreiheit auf Platz 65 von 180 Staaten. (epd/mig) Aktuell Panorama
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