Muslime unerwünscht
Ablehnungsschreiben: „Hoffe, dass Sie den Weg in ihre Heimat finden“
Die Absage eines brandenburgischen Betriebs auf eine Azubi-Bewerbung sorgt für Debatten: Der Geschäftsführer hatte darin den Islam kritisiert. Er bleibt trotz Kritik uneinsichtig. Pikant: Der Betrieb ist Träger des Brandenburgischen Ausbildungspreises.
Donnerstag, 15.10.2020, 5:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Freitag, 14.01.2022, 17:28 Uhr Lesedauer: 4 Minuten |
Im März kam die Ablehnung, mehr als ein halbes Jahr danach wurde sie nun auf Twitter öffentlich gemacht und hat scharfe Kritik und Diskussionen ausgelöst: Das islamkritische Ablehnungsschreiben eines brandenburgischen Betriebs auf eine Azubi-Bewerbung verstößt nach Einschätzung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes gegen geltendes Recht. Der Geschäftsführer der Asphalt Straßenbau GmbH aus Kolkwitz bei Cottbus, Frank Pilzecker, steht dennoch weiter dazu. Pikantes Detail: Der Betrieb wurde 2019 vom Land „für ihr vorbildliches Engagement in der betrieblichen Ausbildung“ mit dem Brandenburgischen Ausbildungspreis ausgezeichnet, ein mit 1.000 Euro dotiertes und mit EU-Geldern finanziertes Wettbewerb.
In dem Ablehnungsschreiben vom März heißt es unter anderem, auf zwei Ausbildungsplätze im Tief- und Straßenbau hätten sich sieben Interessenten beworben. In dem Bewerbungsverfahren seien besser geeignete Bewerber berücksichtigt worden. Die Mitarbeit eines praktizierenden Muslims sei zudem unerwünscht. Der Islam sei nicht mit der Verfassung der Bundesrepublik in Einklang zu bringen.
Welle der Empörung im Netz
Im Ablehnungsschreiben heißt es im Wortlaut: „Nach meinen Erfahrungen ist dies eine für mich und meine Umgebung nicht wünschenswerte Gesellschaftsform und ich lehne die Auffassungen des Islam gegenüber Frauen und anders denkenden Menschen als zutiefst diskriminierend ab. Ich wünsche Ihnen dennoch für die Zukunft Alles Gute und hoffe, dass Sie den Weg in ihre Heimat finden und dort nach ihren Grundsätzen leben können, so wie wir Deutsche in unserer Heimat Deutschland nach unseren freiheitlichen Grundsätzen leben wollen. Wenn Sie eines Tages als Auslandsstudent oder -auszubildender nach Deutschland kommen, bin ich gern bereit Sie mit unserer Kultur und unserem Wissen fort- und auszubilden.“ (sic!)
Das Ablehnungsschreiben des Betriebs kommentierte der Betroffene im Kurznachrichtendienst Twitter mit den Worten: „Wie soll man sich jemals ‚zu Hause‘ fühlen, wenn man nicht so akzeptiert wird wie man ist?“ Die Frage des Betroffenen löste eine Welle der Empörung aus und wurde binnen weniger Tage mehr als 10.000 Mal geteilt und geliked.
Wie soll man sich jemals „zu Hause“ fühlen, wenn man nicht so akzeptiert wird wie man ist? pic.twitter.com/UizG4vcXyO
— Sir Lancelot (@DerTurkistaner) October 11, 2020
Antidiskriminierungsstelle: Chance auf Schadensersatz
„Der Inhalt des Absageschreibens ist ein deutliches Indiz für eine Diskriminierung aufgrund der Religionszugehörigkeit und damit für einen Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz“, sagte der kommissarische Leiter der Antidiskriminierungsstelle, Bernhard Franke, dem „Evangelischen Pressedienst“ am Mittwoch in Berlin.
Das Gesetz schütze auch bei der Bewerbung auf Ausbildungsplätze, sagte Franke: „Nach unserer Einschätzung hätte der betroffene Bewerber gute Chancen, vor Gericht einen Anspruch auf Entschädigung durchzusetzen.“
Unternehmer nicht einsichtig
Betriebsgeschäftsführer Frank Pilzecker sagte dem „Evangelischen Pressedienst“ am Mittwoch, der tschetschenische Azubi-Bewerber habe seinerzeit gesagt, er sei praktizierender Muslim und halte auch die Fastenvorschriften des Ramadan ein. Dies sei jedoch mit schwerer körperlicher Arbeit im Straßenbau nicht vereinbar, vor allem, wenn die Gläubigen dann auch nicht trinken, sagte Pilzecker: „Das geht nicht.“ Muslimische Beschäftigte, die sich an diese Regeln halten, seien seiner Einschätzung nach dann ab mittags nicht mehr einsatzfähig.
Er stehe weiter zu den Aussagen im Ablehnungsschreiben, sagte Pilzecker: „Das ist meine Meinung.“ Er müsse in dem Unternehmen mit 40 Beschäftigten auch darauf achten, dass das Betriebsklima stimmt. So sei es nicht möglich, mehrere Frühstücksräume einzurichten, wenn Muslime wegen anderer Essensvorschriften nicht im gleichen Raum mit anderen Mitarbeitern essen wollten. Von Seiten des Bewerbers wurden gesonderte Essensräume nicht gefordert.
Kritik vom Wirtschaftsminister
Er stehe zur Religionsfreiheit und zur Trennung von Staat und Religion, sagte Pilzecker. Es stelle sich jedoch die Frage, wie Religion ausgeübt werde. Zuwanderer müssten dabei die Regeln der Aufnahmegesellschaft beachten und sich daran halten. Warum das mehrere Monate alte Ablehnungsschreiben jetzt öffentlich gemacht wurde, wisse er nicht, sagte Pilzecker: „Einer Klage sehe ich freudig entgegen.“ Er bekomme in dem Fall auch viele positive Rückmeldungen.
Brandenburgs Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD), die Integrationsbeauftragte des Bundeslandes, Doris Lemmermeier, und die Handwerkskammer Cottbus hatten sich am Dienstag kritisch zu dem Fall geäußert. „Wenn die Vorwürfe zutreffen, bin ich von der Haltung des Unternehmens schockiert“, sagte Steinbach: „Ein solches Vorgehen widerspricht unseren Prinzipien eines weltoffenen Brandenburg. Die Freiheit der Religionsausübung ist in Deutschland ein Grundrecht.“ (epd/mig) Leitartikel Panorama
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