"Neue Form des Kolonialismus"
Brot für die Welt: Wirtschaftsministerium blockiert Lieferkettengesetz
Ein Lieferkettengesetz soll Firmen für Menschenrechtsverstöße im Ausland haftbar machen. Doch es gibt große Widerstände, klagt "Brot für die Welt" und spricht von einer neuen Form des Kolonialismus. Das Wirtschaftsministerium weist den Vorwurf zurück und pocht auf Rücksicht wegen Rezession.
Montag, 26.10.2020, 5:21 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 25.10.2020, 13:19 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
„Brot für die Welt“ befürchtet ein Scheitern des geplanten Lieferkettengesetzes, das Lohndumping und ausbeuterische Kinderarbeit in Entwicklungsländern eindämmen soll. Entwicklungs- und Arbeitsministerium hätten Eckpunkte für ein Gesetz erarbeitet, aber das Wirtschaftsministerium blockiere das Vorhaben, sagte die Präsidentin der evangelischen Hilfsorganisation, Cornelia Füllkrug-Weitzel, dem „Evangelischen Pressedienst“ in Berlin.
„Je mehr Zeit durch die Blockade vergeht, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Lieferkettengesetz in dieser Legislaturperiode nicht mehr verabschiedet werden kann“, warnte sie. Grund sei vor allem der Widerstand aus Unternehmerverbänden. Das Wirtschaftsministerium wies den Vorwurf zurück, das Gesetz zu blockieren. Es müssten aber auch die besonderen Belastungen für Unternehmen durch die Corona-Pandemie gesehen werden, hieß es.
Die Gespräche der beteiligten Ministerien zu Eckpunkten eines Lieferkettengesetzes dauerten an, das Wirtschaftsministerium beteilige sich konstruktiv daran, erklärte ein Sprecher von Minister Peter Altmaier (CDU). Details nannte er nicht. Die Menschenrechte seien ein wichtiges Anliegen, Regelungen zur Haftung von Firmen müssten aber angemessen und durchführbar sein. Sonst würden sich Unternehmen aus bestimmten Ländern zurückziehen, weil sie Pflichten vor Ort nicht umsetzen könnten.
Ministerium verweist auf Rezession
„Wir dürfen dabei insbesondere nicht vergessen, dass wir uns angesichts der Corona-Krise aktuell in einer Rezession befinden und zwar mit Einbrüchen, die die größten in der Geschichte der Bundesrepublik darstellen und viele Unternehmen deutlich belasten“, erklärte der Sprecher. Das Ministerium setze sich zudem für eine zügige europäische Lösung ein, um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden.
Nach Einschätzung Füllkrug-Weitzels gibt es einen breiten gesellschaftlichen Konsens für ein Lieferkettengesetz. „Die Gewerkschaften, die Kirchen und der Rat für nachhaltige Entwicklung haben sich dafür ausgesprochen, auch viele Konsumenten und Konsumentinnen sind dafür“, sagte sie. Auch große Unternehmen seien für eine gesetzliche Sorgfaltspflicht entlang der Lieferkette. „Es hakt am massiven Widerspruch und der umfangreichen Lobbyarbeit der großen Unternehmerverbände BDI und BDA“, sagte Füllkrug-Weitzel.
Neue Form des Kolonialismus
„Wir sind für ein Lieferkettengesetz, das die unternehmerische Sorgfaltspflicht auf rechtliche Füße stellt“, fügte sie hinzu. Unternehmen könnten durch das Gesetz dafür haftbar gemacht werden, wenn bei Produktion, Verarbeitung und Handel Menschenrechte verletzt werden oder die Umwelt geschädigt wird. „Das ist dann einklagbar“, betonte die Pfarrerin. „Wenn in anderen Ländern auskömmliche Löhne gezahlt würden statt Hungerlöhnen, müssten wir nicht immer noch über diese krasse Armut reden.“
Füllkrug-Weitzel sprach von einer neuen Form des Kolonialismus. „Global agierende Unternehmen nutzen die Wehrlosigkeit der Armen und die Korruptheit von Regierungen in Entwicklungsländern, um weltweit ungeheures Lohndumping zu betreiben“, beklagte sie. „Man nutzt die mangelnde Rechtsstaatlichkeit in diesen Ländern, um maximalen Profit daraus zu schlagen.“
Linke: Völlig verantwortungslos
Kritik kommt auch von der Linkspartei. „Es ist völlig verantwortungslos, dass die Bundesregierung es versäumt, das völkerrechtlich verbindliche UN-Abkommen für Wirtschaft und Menschenrechte und das deutsche Lieferkettengesetz zusammenzudenken. Das ist eine rechtliche Massenkarambolage mit Ansage“, erklärt Michel Brandt, Obmann der Linksfraktion im Ausschuss für Menschenrechte.
Stattdessen schaue Deutschland in Genf vom Seitenstreifen zu und versteckt sich hinter der EU, die selbst noch kein Verhandlungsmandat für das UN-Abkommen hat. „Die deutsche EU-Ratspräsidentschaft hätte problemlos auf ein Verhandlungsmandat bestehen können, wenn es politisch gewollt gewesen wäre. Das ist dank der menschenrechtsfeindlichen Blockadehaltung des Wirtschaftsministeriums und anderer wirtschaftsnaher Kräfte innerhalb der Bundesregierung aber nicht denkbar“, so der Linkspolitiker weiter. (epd/mig) Aktuell Wirtschaft
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