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Studie

Immer mehr Migranten obdachlos

Dass Kinder auf der Straße leben, scheint in einer reichen Nation wie Deutschland eigentlich undenkbar. Fachverbände warnen nun aber vor einer steigenden Zahl wohnungsloser Familien - überproportional oft betroffen sind Ausländer und Deutsche mit ausländischen Wurzeln.

Dienstag, 10.11.2020, 5:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 11.11.2020, 22:30 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

In Deutschland sind immer mehr Menschen wohnungslos – überproportional häufig betroffen sind Ausländer und Deutsche mit ausländischen Wurzeln. Das geht aus dem Jahresbericht der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungshilfe (BAG W) hervor. Demnach waren im Jahr 2018 rund 47 Prozent der Betroffenen mit Kindern Ausländer, über 30 Prozent stammen aus einem Nicht-EU-Land. Der Anteil dieser Personengruppe ist seit 2010 um 16,5 Prozent gestiegen.

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Bei Deutschen mit ausländischen Wurzeln betrug der Anstieg im selben Zeitraum sogar 17, 1 Prozent. Im Jahr 2018 hatten 38,8 Prozent aller Betroffenen einen Migrationshintergrund. Das liegt deutlich über dem Durchschnittswert der Gesamtbevölkerung (13,3 Prozent).

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Der Anstieg wird im vorgelegten Rapport in erster Linie auf gesellschaftliche Veränderungen zurückgeführt. „Die Zusammensetzung der in Deutschland lebenden Menschen hat sich – bezogen auf ihre Herkunft – in den letzten Jahren im Zuge von EU-Binnenmigration und durch den Zuzug von Geflüchteten aus Krisengebieten zunehmend diversifiziert“, heißt es in dem Bericht. Allerdings werde auch eine „besondere Vulnerabilität dieser Gruppe“ deutlich.

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Anteil betroffener Migranten viermal so hoch

Der Anteil der Bevölkerung nicht-deutscher Staatsangehörigkeit an der Gesamtbevölkerung beträgt nach Angaben des Statistischen Bundesamtes zum Ende des Jahres 2018 rund 12 Prozent. In den Einrichtungen und Diensten der Wohnungsnotfall-Hilfe sei der Anteil der Hilfesuchenden Ausländer und Migranten mit Kindern jedoch fast viermal so hoch.

Die Verfasser der Studie gehen sogar von einer deutlich höheren Dunkelziffer aus. „MitarbeiterInnen von niedrigschwelligen Einrichtungen freier Träger schätzen den Anteil der nicht-deutschen Betroffenen z. T. mit 50 % und mehr“, heißt es in der Studie weiter. Eine genaue Zahl könne nicht genannt werden, weil „nicht-deutsche KlientInnen in der Regel vom Rechtsanspruch auf Hilfen“ ausgeschlossen seien.

Familien mit Kindern oft betroffen

Auch bezogen auf die Gesamtbevölkerung wird konstatiert, dass Familien mit Kindern zunehmend Unterstützung bei Beratungsstellen und Einrichtungen für Wohnungslose suchen. Im Jahr 2018 lebten 21 Prozent der weiblichen und vier Prozent der männlichen Hilfesuchenden in Haushalten mit minderjährigen Kindern. Fast die Hälfte dieser Personen (46 Prozent) seien alleinerziehende Mütter.

Ein Großteil der wohnungslosen Familien (60 Prozent) lebt dem Bericht zufolge bei Angehörigen, Partnern und Bekannten in prekären Mitbewohnerverhältnissen. Insgesamt neun Prozent seien in Notunterkünften oder in Übernachtungsstellen untergebracht. Weitere elf Prozent lebten auf der Straße. Frauen suchten dabei schneller Hilfe als Männer. Zudem seien Frauen im Hilfesystem durchschnittlich jünger. Insgesamt sinke das Durchschnittsalter der Hilfesuchenden.

„Menschen ohne Obdach sind schutzlos“

Maria Loheide, Vorstand Sozialpolitik der Diakonie Deutschland, mahnt mehr Unterstützung für Wohnungslose durch die Politik an. „Menschen ohne Obdach sind schutzlos. Die Corona-Krise hat ihre Situation massiv verschärft“, sagte sie. Durch die Abstands- und Hygieneregeln gibt es weniger Platz in Übernachtungseinrichtungen und in Tagesstätten. Die Diakonie fürchtet zudem einen pandemiebedingten Anstieg der Wohnungslosigkeit. „Keinesfalls dürfen Einrichtungen in die Situation geraten, wohnungslose Menschen mit Verweis auf Corona-Schutzmaßnahmen abweisen zu müssen und sie den Risiken des Lebens auf der Straße bei Kälte auszusetzen“, sagte Loheide.

Die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe schätzt, dass im Laufe des Jahres 2018 rund 678.000 Menschen ohne Wohnung waren. Zentral und einheitlich erfasst wird die Zahl der obdach- und wohnungslosen Menschen nicht. Obdachlos sind Menschen, die weder einen festen Wohnsitz noch eine Unterkunft haben. Sie übernachten auf der Straße, in Parks, Bushaltestellen oder U-Bahnstationen. Wohnungslose kommen hingegen bei Freunden oder Bekannten, in Notunterkünften oder staatlich finanzierten Wohnheimen unter. (epd/mig) Leitartikel Panorama

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