KfW-Studie
Migranten gründen häufiger eine eigene Firma – und das ist gut so
Migranten gründen im Vergleich zu Deutschen ohne Einwanderungsgeschichte viel häufiger eine eigene Firma. Grund: Schlechtere Arbeitsmarktchancen und höhere Risikobereitschaft. Das geht aus einem KfW-Bericht hervor. Experten sehen darin große Chancen, wie Biontech aktuell zeigt.
Freitag, 13.11.2020, 5:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 12.11.2020, 15:25 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
Jede vierte neue Firma in Deutschland wird von Migranten gegründet. Im Vergleich zum Vorjahr erhöhte sich der Anteil an allen Existenzgründungen 2019 nach Angaben der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) deutlich um fünf Prozentpunkte auf 26 Prozent. Schlechtere Arbeitsmarktchancen, eine höhere Risikobereitschaft sowie eine stärkere Wirkung von Rollenvorbildern führten zu einer im Vergleich zur Gesamtbevölkerung größeren Gründungsneigung, teilte die KfW am Donnerstag in Frankfurt am Main mit.
Die Gründungsquote, also die Zahl der Gründer je 10.000 Erwerbsfähige, liegt nach den Angaben unter Migranten bei 137. Bis 2017 hatte sich die Quote dem Durchschnitt angeglichen, stieg seither aber wieder an. Zuletzt lag die Gründungsquote in der Gesamtbevölkerung im Vergleich bei 117. Von den 605.000 Existenzgründungen des Jahres 2019 wurden dementsprechend 160.000 von Migranten realisiert.
Schlechtere Arbeitsmarktchancen und höhere Risikobereitschaft
Ein Hauptgrund für die erhöhte Gründungsfreudigkeit sind dem Bericht zufolge die schlechteren Arbeitsmarktchancen. „Der Anteil so genannter Notgründungen, die also aufgrund einer fehlenden besseren Erwerbsalternative realisiert wurden, ist bei Migrantinnen und Migranten typischerweise überdurchschnittlich. So auch 2019 mit 32 Prozent, während Notgründungen insgesamt nur 23 Prozent der Gründungen ausmachen“, heißt es im KfW-Bericht.
Info: Als Migrant wird in dem KfW-Bericht gezählt, wer die deutsche Staatsbürgerschaft nicht oder nicht von Geburt an besitzt.
Ein weiterer Grund ist laut Vorlage die höhere Risikobereitschaft unter Migranten. Demnach ist der Anteil von Migranten, die sich auf einer Skala von 0 bis 10 als hoch risikobereit einstufen (8 oder höher), überdurchschnittlich. Er liegt 2019 bei 19 Prozent, während nur 13 Prozent der Erwerbsbevölkerung insgesamt sich selbst als so risikobereit einstufen. Hoch risikobereite Menschen gründen dem Bericht zufolge etwa doppelt so häufig wie Personen mit geringerer Risikoselbsteinschätzung.
„Gründungen wichtig für Volkswirtschaft“
„Gründungen sind wichtig für die Erneuerungskraft und somit für die Zukunftsfähigkeit einer Volkswirtschaft“, sagte Fritzi Köhler-Geib, Chefvolkswirtin der KfW. Deutschland profitiere deshalb seit vielen Jahren von einer höheren Bereitschaft von Migranten, sich selbstständig zu machen.
In der Corona-Krise seien viele Gründungspläne aber erst einmal auf Eis gelegt worden. „Allerdings kann die Krise auch als Katalysator für Innovationen wirken. Gründerinnen und Gründer, die die neuen Bedarfe mit innovativen Geschäftsideen decken, können die großen Gewinner von morgen sein“, so Köhler-Geib weiter.
Migranten finden Corona-Impfstoff
Weltweit von sich Reden macht derzeit etwa die erst vor zwölf Jahren gegründete Mainzer Firma Biontech. Das von Türkeistämmigen gegründete und geleitete Unternehmen hat gemeinsam mit seinem US-Partner Pfizer ermutigende Zwischenergebnisse bei der Entwicklung eines Corona-Impfstoffs vorgelegt.
Vater und Mutter des Impfstoffs sind Uğur Şahin und seine Frau Özlem Türeci. Şahin kam als „Gastarbeiterkind“ aus der Türkei nach Deutschland und promovierte in Köln. Die in Deutschland geborene Türeci machte ihren Doktor im saarländischen Homburg. (epd/mig) Leitartikel Wirtschaft
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