"Desaströse Bilanz"
Asylverfahren in Ankerzentren länger als der Durchschnitt
Die umstrittenen sogenannten Anker-Zentrum sollten laut Innenminister Seehofer die Asylverfahren verkürzen. Aktuelle Zahlen des Innenministeriums zeigen jedoch, dass das nicht eingetreten ist - die Verfahrensdauer liegt über dem Durchschnitt.
Montag, 11.01.2021, 5:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 10.01.2021, 23:39 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
Als Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) 2018 für die umstrittenen „Ankerzentren“ warb, versprach er unter anderem kürzere Asylverfahren. Wie sein Ministerium jetzt in einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der Linken-Abgeordneten Ulla Jelpke mitteilt, dauern Asylverfahren in „Ankerzentren“ derzeit länger als im Durchschnitt. Zwischen Antragstellung und Entscheidung der Behörde in einem Ankerzentrum lagen demnach zwischen Januar und November 2020 durchschnittlich 8,5 Monate. Die durchschnittliche Dauer aller Asylverfahren in diesem Zeitraum lag bei 8,3 Monaten.
Die „Ankerzentren“ sind eines der zentralen Projekte Seehofers in der Asylpolitik. Zur zur einjährigen Bilanz der Anker-Zentren im August 2019 hatte der Minister noch erklärt, dass sich die „enge Zusammenarbeit der Behörden unter einem Dach bewährt“ und „zu deutlich kürzeren Bearbeitungszeiten“ geführt habe.
Insgesamt ist die durchschnittliche Dauer von Asylverfahren im vergangenen Jahr gestiegen. 2019 lag sie den Angaben nach noch bei 6,1 Monaten. Das Innenministerium begründete diese Entwicklung in erster Linie mit der Corona-Pandemie. So sei zwischenzeitlich die Zustellung von ablehnenden Bescheiden fast gänzlich eingestellt worden, weil während der Pandemie die Möglichkeiten der Antragstellenden begrenzt gewesen seien, gegen die Entscheidung vorzugehen. Zum anderen seien 2020 viele Altfälle abgeschlossen worden, die den Schnitt der Verfahrensdauer nach oben getrieben hätten.
Flüchtlingsorganisationen kritisieren Ankerzentren
„Anker“ steht für Ankunft, kommunale Verteilung, Entscheidung und Rückführung. Die im Jahr 2018 eingerichteten Zentren sind ein wichtiger Bestandteil der Flüchtlingspolitik von Bundesinnenminister Seehofer. Seiner Idee nach sollen Asylsuchende dort bleiben, bis sie einen Aufenthaltsstatus haben oder nach Ablehnung des Asylantrags das Land verlassen.
Neben dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und Ausländerbehörden sind auch die Bundesagentur für Arbeit und andere für die Integration relevante Behörden in den Zentren vertreten. Flüchtlingsorganisationen kritisieren die Einrichtungen scharf, in denen auch Kinder mit ihren Eltern untergebracht werden.
Jelpke: Wahre Funktion der Lager ist Abschreckung
Die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Jelpke, bezeichnete die überdurchschnittlich lange Verfahrensdauer in den Ankerzentren als eine „desaströse Bilanz“ für Innenminister Seehofer. „Angeblich sollten Asylverfahren in sogenannten Ankerzentren erheblich schneller sein. Doch das Gegenteil ist richtig, wie sich jetzt zeigt“, sagte sie.
Die wahre Funktion der Lager sei Abschreckung, kritisierte sie: „Asylsuchende werden auf engstem Raum zusammengepfercht, sie sollen von unabhängigen Beratungsstrukturen und der unterstützenden Zivilgesellschaft abgeschnitten werden.“ (epd/mig) Leitartikel Politik
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