Nebenan
Urbi et Orbán
Warum fällt der deutschen Union eigentlich kein einziges schlechtes Wort über Orbán ein? Und warum hat die CDU/CDU eigentlich nie mit Fidesz gebrochen?
Von Sven Bensmann Dienstag, 09.03.2021, 5:23 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 08.03.2021, 10:58 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Eigentlich hatte ich ja einen Beitrag über Korruption in der Union geplant. Aber passend zu den beiden anstehenden Landtagswahlen in Dingenskirchen-Kleckersdorf und Hintertupfingen-Posemuckel diese Woche legt sich die nochmal so richtig ins Zeug und liefert einen Korruptionsskandal nach dem anderen ab, sodass es kaum möglich ist, auf den aktuellen Nachrichtenstand zu bleiben. Oder sagen wir besser: Meldungen, die unter normalen Umständen Skandale wären, aber in der von der Union mitverschuldeten Coronakrise weitgehend geschluckt werden. Dabei hat es die Union gleichzeitig (natürlich) auch geschafft, ein wirksames Lobbyregister zu verhindern.
Aber dann hat’s die Union ja auch noch geschafft, Victor Orbán – Ungarns oberstem Antidemokraten – in Nibelungentreue bis zum allerletzten Moment die rechtsextreme Stange zu halten. Denn während der deutschen Union weiterhin kein schlechtes Wort über den Ungarn einfällt und sich natürlich auch nicht dazu durchringen konnte, den Rauswurf der Fidesz anzustreben, fühlt sich ebendiese von anderen konservativen Parteien in der EVP gemobbt, die eine größere Nähe zu demokratischen Werten und mehr Integrität aufweisen. In der Folge hat sich die Fidesz nun selbst aus der EVP entfernt. Noch ist nicht klar, in welcher Fraktion sie sich in Zukunft organisieren wird.
Aber nur um das einmal festzuhalten:
Orbáns Politik ist weitgehend deckungsgleich mit der Putins – mit minimalen kulturellen Anpassungen. Dabei verfolgt er das seit den 30ern in Deutschland bewährte Schema F einer Gleichsetzung von Staat, Volk, Nation, Regierung und Partei. Die Fundamente dieser Ideologie finden sich natürlich in Kirche und Nationalismus, gleichzeitig wird die staatliche Kontrolle auf die freie Wirtschaft verstärkt. Das bekommt insbesondere natürlich die unabhängige Presse zu spüren, die es im Grunde mittlerweile nicht mehr gibt. Zuletzt war die Lizenz eines unabhängigen Radiosenders entzogen worden, letztes Jahr hatte sich ein Freund Orbáns in den Partner eines freien Internetportals eingekauft, der dessen komplettes Anzeigengeschäft abwickelt – und damit mittelbar über die Finanzen des Portals herrscht.
Orbáns Ungarn ist hochgradig homophob und antizigan, es ist die Quelle der Soros-Verschwörung und Orbán selbst hat offen die Verschwörungstheorie vom sogenannten „großen Austausch“ zum Besten gegeben, die Behauptung, Menschen, die nach Europa flüchten, flüchteten nicht vor Krieg, sondern, kämen – von „den Eliten“ gesteuert – hierher, um die weiße Bevölkerung auszutauschen.
Das nicht nur die noch rechts von der Fidesz stehende Jobbik gleichzeitig einen aggressiven Turanismus pflegt, also die genetische, sprachliche und kulturelle Nähe und Verbundenheit der Ungarn zu (unter anderem) den Türken und Mongolen, sondern dieser auch in der Fidesz selbst längst Fuß gefasst hat, ist nur einer der typischen Widersprüche der künstlich geschaffenen Nationalideologien.
Und mit genau dieser Fidesz hat die CDU/CDU nie gebrochen. Die Union ist also weiterhin der Ansicht, dass sie mit dieser Partei genug verbindet, um eine gemeinsame Fraktion zu bilden. Wer soll dieser Partei abkaufen, dass sie auch noch nach diesem „Superwahljahr“ in keiner Koalition mit der AfD – den anderen großen Orbán-Fans in Deutschland – regieren wird? Meinung
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