Roboter gegen Rassismus
Erfinder will Beratung gegen Diskriminierung revolutionieren
Wer Diskriminierung erfährt, weiß oft nicht, wie er oder sie sich wehren soll - und hat Hemmungen vor einer Beratung. Das will ein Erfinder ändern: mit dem ersten Beratungs-Chatbot im Internet gegen Diskriminierung.
Von Jens Bayer-Gimm Freitag, 12.03.2021, 5:23 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 11.03.2021, 12:25 Uhr Lesedauer: 4 Minuten |
„Hallo ich bin Meta – ich bin ein Chatbot und helfe“, beginnt der Online-Roboter den Dialog. Vor wenigen Wochen ging der „weltweit erste Chatbot gegen Diskriminierung“ online. „Ich will einen gesellschaftlichen Wandel herbeiführen“, sagt der Erfinder Said Haider. „Es vergeht kaum eine Woche, in der ich nicht von einem Fall von Alltagsrassismus oder Diskriminierung erfahre.“ Schon als Mitglied der Comedy-Satire-Gruppe auf YouTube „Datteltäter“ hat der Jurist erfahren: „Es gibt ein ungelöstes Problem in der Gesellschaft.“
Nach einer Sendung, in der es um Diskriminierung ging, fragte die Redaktion die Zuschauer nach ähnlichen Erfahrungen. „Das Postfach ist explodiert“, berichtet Haider. Die Betroffenen stünden vor der Schwierigkeit: „Wir kennen unsere grundlegenden Rechte nicht: Welche Ansprüche habe ich? Welche Frist muss ich zur Beanstandung wahren?“, sagt der Jurist. Auch gebe es kein flächendeckendes Netz von Beratungsstellen gegen Diskriminierung.
Barrierefrei, verfügbar, anonym, kostenlos
Seine Idee: Im Kundenservice vieler Firmen werden Chatbots eingesetzt, also Roboter-Programme, die Chats führen. „Warum nicht auch zur Beratung gegen Diskriminierung?“, fragte sich Haider. Ein online zugänglicher Chatbot wäre barrierefrei jederzeit verfügbar, anonym und kostenlos nutzbar. Haider schrieb ein Konzept, und das Praxis-Fellowship der „Akademie für Islam in Wissenschaft und Gesellschaft“ in Frankfurt am Main ermöglichte ihm die Entwicklung der ersten Stufe. Der Erfinder gewann 2019 in Berlin Mitstreiter und das Citylab Berlin als Förderer sowie „Das Nettz“ als Berater. 2020 entwickelte er in Berlin den Prototyp für Meta.
„Ich bin noch frisch, aber ich gebe mein Bestes und bin für dich da“, schreibt Meta zu Beginn eines Dialogs. Der Roboter leitet durch den Dialog hin zu einer Auskunft oder einer Beratungsstelle. Mehr als 500 Personen haben nach den Worten Haiders den Chatbot in den ersten drei Wochen genutzt. Viele hätten Fälle von Diskriminierung gemeldet, manche eine Beratungsstelle gesucht.
Meta kann Vertrauen wecken
Bisher sei der Chatbot ein „klickbasiertes System: Antworten werden vorgegeben“, erklärt Haider. Die vorläufige Beta-Version sei noch nicht so weit, dass sie Betroffenen auf ihre persönliche Situation erschöpfend Auskunft geben könne. „Meta ist kein Mensch, kann aber Vertrauen wecken“, ist der Erfinder überzeugt. Die Dialoge seien von erfahrenen IT-Designerinnen „wie im echten Leben“ konzipiert worden. Doch Haider will mehr – er will den Roboter mit künstlicher Intelligenz ausstatten.
Dazu muss er zunächst weitere Fördermittel einwerben. Das Ziel sei, dass Meta mit Spracherkennung funktioniert und auf jedes Anliegen individuell reagieren kann, erklärt der Erfinder. „Die Erfahrung von Diskriminierung ist hochemotional, Meta muss auch empathisch gegenfragen können.“ Doch auch der beste Chatbot der Welt könne eine menschliche Beratung nicht ersetzen. Haider schwebt vor, dass die Antidiskriminierungs-Beratung der Zukunft „ein Tandem zwischen Chatbot und persönlicher Beratung“ ist.
„Tolle Idee“
„Der Chatbot ist eine tolle Idee“, lobt Azfar Khan von der Koordinierungsstelle Anti-Rassismus der Stadt Frankfurt am Main. „Ich hätte mir selbst in vielen Fällen so eine Hilfe gewünscht.“ Als Schüler habe er gegen Diskriminierungserfahrungen vorgehen wollen, aber nicht gewusst, wie. Der Berater hat Meta mit einem solchen Fall ausprobiert. Der Chatbot habe ihm die Hinweise gegeben: „Du kannst Widerspruch erheben und eine Dienstaufsichtsbeschwerde einleiten“. „Das hätte mir als Schüler weitergeholfen“, ist sich Khan sicher.
Der Politologe und Soziologe sieht einen großen Vorteil in dem Chatbot, dass er die Hemmschwelle vor einer Beratung senkt. „Diskriminierung ist oft mit Ohnmachtsgefühlen verbunden“, erklärt er. Meta ersetze die persönliche Beratung nicht, sei aber eine wichtige, hilfreiche Ergänzung.
Antidiskriminierungsstelle angetan
Auch der kommissarische Leiter der Antidiskriminierungsstelle des Bundes in Berlin, Bernard Franke, ist von der Erfindung angetan. „Grundsätzlich scheinen mir Chatbots oder Online-Tools als Ergänzung zu anderen Beratungsangeboten sinnvoll zu sein“, sagt er. So könnten Ratsuchende rund um die Uhr eine Orientierung erhalten und an Anlaufstellen verwiesen werden. Eine vertiefende Beratung und Unterstützung in den häufig emotional und rechtlich komplexen Fällen müssten aber geschulte Beraterinnen und Berater leisten.
Auf den Start von Meta habe er schon viele lobende Rückmeldungen bekommen, sagt Haider. Seine Vision: „Ich träume davon, dass ich in der Bahn auf vielen Handys Meta als App sehe. Und wenn ich sehe, wie Leute Meta bedienen, dann weiß ich: Ich habe es geschafft.“ (epd/mig) Aktuell Panorama
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