Lieferkettengesetz
Experte: Kinder schuften mit Macheten auf Kakaoplantagen Westafrikas
Viele Unternehmen können große Profite machen, weil in armen Ländern Menschen für Hungerlöhne arbeiten. Besonders dramatisch geht es im Kakaosektor zu. Friedel Hütz-Adams, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Bonner Südwind-Institut für Ökonomie und Ökumene, schildert im Gespräch die verheerenden Zustände in der Lieferkette für Schokolade.
Von Mey Dudin Dienstag, 06.04.2021, 5:22 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 05.04.2021, 10:49 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
Der Kakao in unserer Schokolade kommt meistens aus der Elfenbeinküste oder Ghana. Wie sieht es dort auf den Plantagen aus?
Friedel Hütz-Adams: Ein großer Teil der Kakao anbauenden Familien ist arm. Etwa 1,6 Millionen Kinder arbeiten dort unter schlimmsten Bedingungen: Sie hantieren mit Macheten, bringen Pestizide aus, schleppen zu schwere Lasten und versäumen dadurch die Schule. Die meisten Kleinbäuerinnen und -bauern im Kakaosektor Westafrikas sind unorganisiert. Sie haben keinen Einfluss auf den Kakaopreis, denn sie haben keine Verhandlungsmacht gegenüber den Großkonzernen, die den Schokoladenmarkt beherrschen und die Preise drücken.
In Deutschland werden allein zu Ostern etwa 220 Millionen Schoko-Hasen produziert. Was kommt von den hiesigen Einnahmen eigentlich in Westafrika an?
„Von einer in Deutschland für 89 Cent verkauften Tafel Milchschokolade kommen weniger als sechs Cent bei einem Bauern in Ghana an.“
Von einer in Deutschland für 89 Cent verkauften Tafel Milchschokolade kommen weniger als sechs Cent bei einem Bauern in Ghana an. Bei zertifizierter Schokolade – zum Beispiel mit dem Fairtrade-Siegel – ist es nur rund ein Cent mehr. Der niedrige Kakaopreis führt für die Menschen auf den Plantagen zu Einnahmen, die weit unter einem existenzsichernden Einkommen liegen. Daher die Kinderarbeit. Viele Familien können sich mehrere Monate im Jahr noch nicht einmal drei Mahlzeiten am Tag leisten.
Ein deutsches Sorgfaltspflichtengesetz soll künftig Menschen im globalen Süden besser vor Ausbeutung schützen. Kann ein solches Gesetz im Kakaosektor Verbesserungen bringen?
Rund zehn Prozent der Welternte von Kakao wird in deutschen Fabriken zu Schokolade weiterverarbeitet. Das Lieferkettengesetz wird viele Firmen betreffen, nicht nur die großen Unternehmen, denn viele kleinere sind Lieferanten der großen. Und die können gegebenenfalls zur Verantwortung gezogen werden. Denn im Gesetzentwurf steht, dass deutsche Firmen auch gegenüber mittelbaren Zulieferern tätig werden müssen, wenn sie „substantiierte“ Kenntnisse über Menschenrechtsverletzungen haben. In Westafrika ist es überhaupt kein Problem, Beweise für Kinderarbeit und Armutseinkommen zu finden.
Wie könnte denn eine gute Lösung im Kakaosektor aussehen?
Firmen sollten die Lieferwege offenlegen und mit Kooperativen, in denen sich Menschen vor Ort organisieren, feste Mengen an Kakaobohnen aushandeln, die sie ihnen abnehmen. Sie könnten deutlich höhere Prämien vereinbaren und den Unterbietungswettbewerb beenden. Die Situation der Bäuerinnen und Bauern würde sich verbessern und die Kinderarbeit vermutlich deutlich weniger werden. (epd/mig) Aktuell Interview Wirtschaft
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