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Kampf des WHO-Chefs

Corona-Krise: Katastrophales moralisches Versagen

Die WHO muss Erfolge gegen Covid-19 liefern. Doch ihr Impf-Programm läuft nicht rund. Auf der laufenden Weltgesundheitsversammlung muss sich WHO-Chef Tedros verteidigen - er kämpft auch um seinen Job.

Von Dienstag, 25.05.2021, 5:21 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 24.05.2021, 12:06 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Wenn Dr. Tedros über die Corona-Pandemie spricht, dann fallen oft die großen Worte. Der Generaldirektor der Weltgesundheitsorganisation (WHO) beklagt „katastrophales moralisches Versagen“, verlangt „globale Solidarität“ oder beschwört „unsere gemeinsame Zukunft“. Dabei geht es auch immer um die Zukunft der WHO und ihres Chefs Tedros Adhanom Ghebreyesus selbst.

Der frühere Außenminister und Ex-Gesundheitsminister Äthiopiens befindet sich in einem Dauerkampf um seinen Chefposten in der Genfer WHO-Zentrale. Auf der jährlichen Weltgesundheitsversammlung, dem höchsten WHO-Gremium, vom 24. Mai bis 1. Juni dürfte dem 56-Jährigen einmal mehr der Unmut aus den 194 WHO-Mitgliedsländern entgegenschlagen. Eskalierte doch in seiner 2017 begonnenen Amtszeit ein lokaler Corona-Ausbruch in China zu der schlimmsten globalen Gesundheitskrise seit Jahrzehnten.

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Umständlich. Intransparent.

Die Liste der Fehler, die der WHO angekreidet werden, ist lang: Zu behäbig, zu umständlich, zu intransparent hätten die oberste internationale Gesundheitswächterin und ihr Chef auf das drohende Corona-Unheil reagiert. Eine unabhängige Untersuchungskommission kreidete der WHO noch vor wenigen Tagen an, den internationalen Gesundheitsnotstand zu spät ausgerufen zu haben. David Fidler, Experte für öffentliche Gesundheit im Council on Foreign Relations, wirft der WHO und Tedros vor, durch eine demonstrative Nähe zu China ihre eigene „Autorität untergraben“ zu haben.

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Im kommenden Jahr läuft die Amtszeit des WHO-Generaldirektors aus. Ob die WHO-Mitgliedsländer dem Mann mit einem Doktorgrad in öffentlicher Gesundheit fünf weitere Jahre an der Spitze gewähren, wird vor allem von Erfolgen gegen Covid-19 abhängen. Die Ausbreitung des Erregers will Tedros mit dem internationalen Netzwerk Covax stoppen, das die WHO im April 2020 mitgründete. Covax soll eine weltweit faire und schnelle Verteilung von Impfstoffen gegen Covid-19 sicherstellen. In dem Programm mischen fast alle Staaten, das Kinderhilfswerk Unicef und andere Organisationen mit.

Nur ein Prozent nach Afrika

Vor allem arme Länder sind für Covax-Lieferungen vorgemerkt, die meisten erhalten die Vakzine kostenlos. Tedros nennt Covax eine „großartige Chance“. Doch noch immer läuft das Programm nicht rund. Ende Februar händigte Covax die ersten Impfdosen aus. In der Woche vor Pfingsten werde die ausgelieferte Menge erst bei 65 Millionen liegen, erläutert die Unicef-Exekutivdirektorin Henrietta Fore. Eigentlich aber hätten es zu diesem Zeitpunkt „mindestens 170 Millionen Dosen sein sollen“.

Besonders hart trifft der Impfnotstand die Menschen in Afrika: Nach UN-Angaben von Mitte Mai wurden bislang weltweit 1,3 Milliarden Impfdosen verabreicht, nur ein Prozent der Dosen ging nach Afrika. Viele nationale Impfkampagnen des Kontinents hätten sich „kaum über die Startlinie bewegt“, warnt die WHO-Regionaldirektorin Matshidiso Moeti.

Impfstoff-Nationalismus

Die Gründe für den Notstand? Zum einen hapert es in vielen Entwicklungsländern an Infrastruktur und geschultem medizinischem Personal. Zum anderen fehlen dem freiwillig finanzierten Covax für 2021 noch immer fast zwei Milliarden US-Dollar – etliche wohlhabende Staaten knausern. Und es mangelt dem Netzwerk am Impfstoff selbst – denn reiche Länder kaufen den Markt leer. Und Indien, der größte Produzent von Vakzinen weltweit, verhängte einen Ausfuhrstopp. Der Chef des indischen Pharmariesen Serum Institute, Adar Poonawalla, sagt: Die Lieferungen an Covax sollten bis „zum Ende des Jahres“ wieder aufgenommen werden.

Trotz der Kalamitäten hält Covax an seinem ehrgeizigen Ziel fest: Bis Ende 2021 sollen zwei Milliarden Impfdosen ausgehändigt sein. Bleibt es bei dem bisherigen Tempo, dann wird diese Marke jedoch klar verfehlt. Das weiß auch WHO-Chef Tedros. Kein Wunder, dass er bei fast jeder Gelegenheit vor einem „Impfstoff-Nationalismus“ der wohlhabenden Nationen und der Vakzin-Produzenten auf Kosten anderer Länder warnt. Tedros ist dabei bewusst: Der „Impfstoff-Nationalismus“ gefährdet auch die Fortsetzung seiner WHO-Karriere. (epd/mig) Aktuell Panorama

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